Die schönste Zeit ist heut‘: Das Musical „La Cage aux Folles“ bringt Glamour und Gags ins Theater Freiburg
„Ich bin, was ich bin“ singt Vincent Glander als Dragqueen Zaza am Ende des ersten Aktes von „La Cage
„Ich bin, was ich bin“ singt Vincent Glander als Dragqueen Zaza am Ende des ersten Aktes von „La Cage aux Folles“. Gloria Gaynor hat den Song in seiner englischen Version „I Am What I Am“ zu einem echten Kracher gemacht, der auch heute noch auf keiner Ü40-Party fehlen darf. Am Freiburger Theater zieht sich Glander in der Inszenierung von Maurice Lenhard Stück für Stück aus, legt Perücke und Kleider ab. Ein ganz ruhiger, nachdenklicher Moment inmitten von Gags und Glamour. „Ich bin kein Snob, will meine Freiheit“, lautet der durchaus ernste Songtext von Harvey Fierstein in der deutschen Übersetzung von Erika Gesell und Christian Severin. „Wünsche mir nur ein bisschen Fairness.“
Wenn man mit dem 1983 uraufgeführten Musical, das in der queeren Community Kultstatus hat, als erster Musiktheater-Neuproduktion in eine neue Spielzeit startet, dann ist das auch ein Statement. Der neue Intendant Felix Rothenhäusler und sein Chefdramaturg Franz-Erdmann Meyer-Herder, der selbst auch als Dragqueen auftritt, möchten am Freiburger Theater zu mehr Queerness einladen. Dass sich nicht nur in den USA, sondern auch in Europa die LGBTQ-Community in den letzten Jahren zunehmend gegenüber Angriffen erwehren muss und auch in Deutschland CSD-Paraden von Rechtsextremen gestört werden, zeigt die Aktualität des Musicals. Dass mit Edouard Dindon, dem Henry Meyer den nötigen Fanatismus verleiht, der Vorsitzende der „Partei für Tradition, Familie und Moral“ im Stück auftaucht, könnte auch direkt von der politischen Gegenwart inspiriert sein. Bis auf wenige Anspielungen, die Victor Calero als Georges in ein zwei guten gesetzten Nebensätzen fallen lässt, betont Regisseur Maurice Lenhard den Witz, das Tempo und die Eleganz der Vorlage – und das ist auch gut so. Eine zu starke Politisierung würde dem Musical seinen Reiz nehmen. Malina Raßfeld hat für die Drehbühne eine schön plüschig-tuntig eingerichtete Wohnung gebaut, die in die glitzernde Showbühne übergeht. Schon in der Figur von Albin/Zaza ist diese Doppelung angelegt. Und wenn Vincent Glander mit tiefer, sonorer Stimme den Song „Mascara“ im Schlafzimmer singt, dann hilft das für den Auftritt aufgelegte Make-up auch gegen die Einsamkeit. Dass ihm manches Mal nicht nur das Kleid („Ich sehe, meine Titten hängen schief“), sondern auch die Intonation verrutscht, macht seinen Auftritt nicht weniger berührend. Und auch das Timing und die Leichtigkeit beherrscht der Schauspieler perfekt. Mit Victor Calero als Lebenspartner und Clubbesitzer Georges hat dieser Albin einen Partner auf Augenhöhe an seiner Seite, der die vielen gesanglichen Herausforderungen meistert und als lockerer, auch mal tanzender Conférencier die Fäden zusammenhält.
Den passenden Ton für den Abend findet auch das Philharmonische Orchester Freiburg unter Johannes Knapp nach leichten Anlaufschwierigkeiten (besuchte Vorstellung: 9. Oktober 2025). Harry Herman Songs wie „Die schönste Zeit ist heut‘“ oder „Mit Dir im Arm“, aber auch der Titelsong und die „Männliche Lektion“, bei der sich der zarte Albin in einen breitbeinigen Macho verwandeln soll, werden aus dem Orchestergraben in ganz unterschiedliches Licht getaucht. Das Orchester kann zuspitzen und wieder den Druck rausnehmen, symphonischen Glanz verbreiten oder als Big Band mit scharfen Bläsersetzen das Geschehen anheizen. Die musikalischen Übergänge klappen so elegant wie die szenischen. Und mit der Revue-Compagnie „Les Cagelles“ (Benedikt Peters, Nikko Forteza, Romeo Salazar, Lukas Strasheim, Simone van Wengerden, Tamara Viola Kurti, Giuseppe Brancato) ist eine quirlige, temperamentvolle Truppe am Start, die selbst als Seepferdchen, Lippenstift oder Qualle eine gute Figur macht (Kostüme: Christina Geiger, Choreographie: Steven Armin). Die beteiligten Mitglieder des Opernensembles setzen musikalische Akzente. Jakob Kunath ist mit seinem geschmeidigen Bariton („Mit Anne im Arm“) als Sohn Jean-Michel ein echter Hinhörer. Lila Chrisp als Freundin Anne Dindon, Maeve Höglund in der Rolle der Restaurantbesitzerin Jaqueline und Inga Schäfer als sich vom stockkonservativen Ehemann befreiende Politikergattin Marie Dindon glänzen ebenfalls in ihren kurzen Gesangsnummern. Zum großen Finale hat jede, jeder und alles dazwischen nochmals einen Auftritt im schrägen Fummel. Das Publikum klatscht mit und feiert die Produktion mit gebührendem Enthusiasmus.
Weitere Termine: 15./21./22.11., 11.12., jew 19.30 Uhr, 6.1.2026: 18 Uhr, 16.1.2026: 19.30 Uhr. theater.freiburg.de/de_DE/spielplan
Bild: Victor Calero, Giuseppe Brancato, Romeo Salazar, Benedikt Peters, Nikko Forteza, Lukas Strasheim, Tamara Viola Kurti, Rosalie Simone von Weingarten © Sandra Then





