Theater

“Lucia di Lammermoor” am Theater Basel begeistert musikalisch

Mehr Opfer als Mörderin

Zwischen Rossinischer Leichtigkeit und der Dramatik Giuseppe Verdis – da siedelt der Dirigent Giampaolo Bisanti am Theater Basel Donizettis „Lucia di Lammermoor“ an. Der Italiener hat genau das richtige Händchen für diese Belcanto-Oper.

Das Sinfonieorchester Basel klingt an diesem Abend wie aus einem Guss. Vor allem aber ist Giampaolo Bisanti ein Meister des Rubatos – dieses Dehnens der Zeit bei Ausdruckshöhepunkten. Immer wieder staut er das Geschehen, um dem Gesang die notwendige Freiheit zu ermöglichen, ohne dabei je die Orientierung zu verlieren. Auch die Beschleunigungen und Steigerungen gelingen organisch, so dass der Abend am Basler Theater zu einem musikalischen Fest wird.

Das zweite, vielleicht noch größere Ereignis ist Rosa Feola als Lucia. Sie hat in ihrer Stimme jene enorme Bandbreite, die dem ganzen Abend zugrunde liegt – von zartem Mezzavoce bis zu kernigen, traumwandlerisch sicheren Spitzentönen, von feinen Legatobögen bis zu perfekt gestoßenen Koloraturen. Regisseur Olivier Py stellt sie von Beginn an auf der Bühne aus. Lucia sitzt im Krankenbett und ist Gegenstand einer wissenschaftlichen Vorlesung.

Der Kaplan Raimondo (mit mächtigem, aber nie rohem Bassbariton: Tassos Apostolou) ist hier ein Arzt, der sich um die scheinbar hysterische Patientin kümmert. Lucias Liebe zu Edgardo wird von dieser Männergesellschaft pathologisch abgewertet, weil sie den Interessen ihres Bruders Enrico zuwider läuft. Staatsraison zählt mehr als das private Glück. Die Verzweiflung darüber treibt Lucia in den Wahnsinn. Diese Geschichte erzählen Olivier Py und sein Ausstatter Pierre-André Weitz mit starken Bildern in einer Schwarz-Weiß-Ästhetik, die den Zuschauer mit ins 19. Jahrhundert nimmt.

Ein Schattenkarussell mit Menschen, Tieren und Dämonen verbreitet düstere Vorahnungen. Selbst der Mond verfinstert sich. Das stärkste Bild gelingt dem Regieteam kurz vor der Wahnsinns-Arie, wenn vom Theaterhimmel ein schwarzer Regen auf die Bühne stürzt und die Schnipsel am weißen Brautkleid haften bleiben. Diese Lucia, die gerade den mit ihr zwangsverheirateten Gatten (mit leichtem Tenor: Hyunjai Marco Lee) getötet hat, ist nicht mehr ganz von dieser Welt.

Rosa Feola lässt sie entschweben mit lange gehaltenen Tönen und weichem Stimmansatz. Diese Mörderin ist Opfer – ihre feinen Koloraturen erzählen vom Himmel, nicht von der Hölle. Dass sie dabei von Tänzern in schwarzen Morphsuits bedrängt wird, beeinträchtigt ein wenig die Fokussierung der Szene. Diese Figuren, die immer wieder auftauchen, sind Dämonen und Todesengel, auch mal Edgardo und Lucia (Mirjam Karvat) als Schattenspiel.

Musikalisch ist diese „Lucia di Lammermoor“ jedenfalls beglückend. Ernesto Petti gibt Lucias intriganten, verschuldeten Bruder Enrico mit virilem Bariton, ohne dabei die Gesangslinie zu verlieren. Fabián Laras Edgardo hat italienisches Timbre, Strahlkraft und auch große Wärme – besonders in „Verrano a te sull‘ aure“, dem Duett mit Lucia im ersten Akt. Aber auch die kleineren Rollen wie Normanno als übergriffiger Hauptmann (Karl-Heinz Brandt) oder Alisa als beflissene Krankenschwester (Ena Pongrac) sind sehr gut besetzt.

Und auch der Chor (Leitung: Michael Clark) bietet gewohnt hohe Qualität.

Was: Oper: Lucia di Lammermoor
Wann: 6./10./16./19./24. November, 1./9./15./29. Dezember 2018, 2./13./19./27. Januar 2019, 2. Februar 2019, 18.30 oder 19.30 Uhr
Wo: Theater Basel, Grosse Bühne, Elisabethenstr. 16, 4051 Basel
Web: www.theater-basel.ch

Bildquellen

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