Oper Theater

„Du hast die Wahl“: Die Freiburger Community Oper feierte Premiere mit „Polyphonie“

Ob Bauernhof, Straßenbahn, Flugplatz oder letztes Jahr der Recyclinghof St. Gabriel – nicht nur die Spielorte der 2017 gegründeten

„Du hast die Wahl“: Die Freiburger Community Oper feierte Premiere mit „Polyphonie“

Ob Bauernhof, Straßenbahn, Flugplatz oder letztes Jahr der Recyclinghof St. Gabriel – nicht nur die Spielorte der 2017 gegründeten Freiburger Community Oper sind vielfältig, auch Themen und Ensemble sind bunt: Mal geht es um Wohnungsnot, mal um Hirnforschung oder Ressourcenknappheit. Profis agieren mit Laien, jede und jeder kann mitmachen. Dabei wurden alle acht Stücke gemeinsam erarbeitet, in Kooperation mit passenden Partnern (Regie und Gesamtleitung: Thalia Kellmeyer). So versteht sich die neue Produktion „Polyphonie“ als musikalisches Experiment „im Spannungsfeld von Gendergerechtigkeit, Gemeinschaft und Klangvielfalt“ und wurde mit dem Institut für Gender Studies und der Erzdiözese Freiburg in einem mehrmonatigen Prozess entwickelt.
Und startet dann auch im Garten des Collegium Borromaeum mit rasenden Kostümwechseln der Sopran- Solistin Noémie Bousquet am Cello und dem 21- köpfigen Chor in fantasievollen schwarz-weiß-Kostümen, die männliche und weibliche Attribute wild durcheinander mixen (Bianka Heck). „Wir sind gleich – gleich und einzigartig“, singen sie mit Mini-Band (Klavier: Olivia Shurmann, Schlagzeug: Leon Neudert, Kontrabass/E-Gitarre/Elektronik: Errikos Sidiropoulos Velidis), erst Arie, dann jazzig, während aus den Fenstern des ersten Stockes ein Trio ein geistliches Lied zum besten gibt. Nun wird streng nach binärer Ordnung sortiert und den Spielenden alles an Accesoires genommen, was nicht passt: Rechts die Männer, links die Frauen – es regt sich Widerstand, nicht alle sind damit glücklich.
Das Thema Geschlechtervielfalt ist damit gesetzt, jetzt geht es in zwei Publikumsgruppen in die Stadt hinaus, entlang an Tableux vivants, eingefrorenen Szenen, vom Ensemble gestellt: Kampf, Unterdrückung, die Regenbogenfahne, zwei Frauen, die sich küssen, ein Mann in Ketten im Keller des Alten Rathauses. Das ist ziemlich lang und auch langatmig, dabei wenig erhellend – so plaudert das Publikum auf seinem „Silent March“ durch die Innenstadt Richtung Alte Uni munter vor sich hin, anstatt fokussiert beim Thema zu bleiben. Mehr Interventionen im öffentlichen Raum, frecher, irritierender – das wäre spannend gewesen. Anders als bei der Wert.Stoff.Oper fehlt auch Figurenzeichnung und jegliche Story.
Im Hörsaal der Gender Studies setzt man mit Audios auf thematische Vielstimmigkeit: moderiert von der wissenschaftlichen Geschäftsführerin Dr. Marion Mangelsdorf, die auch für das Libretto dieser Produktion verantwortlich ist, gibt es nun ganz unterschiedliche, in einem gemeinsamen Seminar mit Studierenden geschriebene Texte zu hören, die von Erfahrungen mit der eigenen geschlechtlichen Identität, von Zuschreibungen, Stereotype und Prägungen erzählen, vor allem aber vom gesellschaftlich gesetzten Rahmen des „entweder-oder“ und der Sehnsucht nach dem „sowohl, als auch.“ Später werden sie diesen Rahmen mit einem „Du hast die Wahl“ stimmgewaltig sprengen…(Kompositionen: Vasiliki Kourti-Papa-Moustou). Das ist gut gemeint und bleibt doch an der Oberfläche. Neues gibt es nicht, eine Publikums- Auseinandersetzung mit eigenen Vorurteilen und Denkmustern wird kaum initiiert, die politische Dimension bleibt blass. Inwieweit die Freiburger LSBTIQ*- Community hier wirklich mit ins Boot geholt wurde? Mehr wäre auf jeden Fall gut gewesen.

 

Beitragsbild: Die neue Produktion der Freiburger Community Oper „Polyphonie“ feierte im August Premiere © Marc Doradzillo

 

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Marion Klötzer