Von Zuschreibungen und vom sich entziehen: Regionale 26 im Kunstverein Freiburg, Delphi-Space und in den Morat-Hallen
Was stimmt bloß nicht mit diesem Horizont? Während er üblicherweise die Trennungslinie zwischen Himmel und Wasser darstellt, scheint sich
Was stimmt bloß nicht mit diesem Horizont? Während er üblicherweise die Trennungslinie zwischen Himmel und Wasser darstellt, scheint sich das Himmelsblau irgendwie über die bewegte Fläche des Meeres zu wölben. Und wirklich gehören Wolken und Wellen nicht zusammen. Anas Kahal hat in seiner Videoinstallation „Himmel und Meer“ das Bild aus zwei Filmen zusammengesetzt, die erst durch die Projektion zusammenfinden. Im Kunstverein Freiburg bildet diese Irritation sozusagen das Stirnstück und den Fluchtpunkt der Ausstellung „Such mich nicht“. Wer das Werk des Freiburger Künstlers ein bisschen kennt, weiß, dass er sich mit Krieg, Vertreibung und Migration befasst. Und so ist auch diese Arbeit nicht allein formal zu verstehen, sie nimmt Bezug auf die weltweiten Fluchtbewegungen. „Such mich nicht“, der Titel der diesjährigen Regionale-Schau des Kunstvereins Freiburg, ist einem Film von Michelangelo Antonioni entlehnt, der Satz steht am Ende einer Beziehung und wird als eine Strategie des Entziehens und der Verweigerung interpretiert. Architektur geworden ist er durch Jade Tangs „Blinds“, drei Lamellenvorhänge aus vertikal zugeschnittener Folie. Sie bilden eine durchlässige Barriere wie auch die pollerartigen Säulen von Ange-Frédric Koffi. Ihre Vorderseite ist verspiegelt, ihre halbkreisförmige Rückseite, ist gepolstert und mit einem bunten, geometrisch gemusterten Stoff bezogen, der afrikanisch anmutet.

Nolan Lucidi wiederum hat auf mehrere Aluminiumbleche, die die Form von Parfümprobenverpackungen haben, Interieurs gedruckt. Sie ähneln jenen, in denen er gewerblich Sex angeboten hat. Die Wandarbeiten sind nach Parfüms wie Brave, Guilty, Boss benannt, die ihm erlauben von der eigenen Individualität abzusehen. Die Falzkanten des Bleches verhindern, den gesamten Innenraum zu sehen, so dass man mit seinem eigenen Voyeurismus konfrontiert wird.
Fünf Institutionen und Galerien wie auch die Galerie für Gegenwartskunst in E-Werk und das T66 sind in diesem Jahr an der Regionale 26 beteiligt, die Kunstschaffende aus dem Dreiländereck in Ausstellungen in Basel, Liestal, Birsfelden, Strasbourg, Hégenheim, Mulhouse sowie Weil und Freiburg vereinen. In diesem Jahr feiert die Städtische Galerie Freiburg in einer der beiden Morat-Hallen eine Art Soft-Opening, offiziell werden sie im nächsten Jahr eröffnet. Die von Jenny Krieger kuratierte Ausstellung „Where do you feel you most belong“ zeigte schon einiges vom Potenzial des Ortes. Die Frage nach Zugehörigkeit führt Ana Branković in ihrer Videoinstallation „Ex Yugo Statements“ ad absurdum mit einer Reihe von Zuschreibungen wie „Männer machen keinen Kaffee“ und Kommentaren zur Anpassung an den Schweizer Alltag. Andere Arbeiten wie die von Nahrae Lee und Florian Dautcourt arbeiten mit Materialien und Färbemittel wie Wein und Pflanzenfarben, zu denen sie eine enge, auch lokale Beziehung haben.
„Dreams:Works“ lautet der Titel der Ausstellung im Delphi_Space, der sich etwa in den leicht absurden Bildwelten des Schweizer Malers Camillo Paravicini einlöst, der unter anderem eine rauchende Mondsichel über einem See platziert und bis auf die glimmende Zigarettenspitze alles in Grüntönen hält. Oder im Gefäß von Sara Gassmann, das figurative Malerei und Blumenvase zugleich ist. Der kleine Bär auf der Wolke von Noémie Vidonnes Objekt „Sommeil profond“ könnte ursprünglich in einem Kinderzimmer für einen tiefen Schlaf gesorgt haben, nun ist er als Intarsie in ein Holzobjekt eingefügt. Doch nicht nur irritieren die beiden Mon Cheris, die an einer Kette baumeln, „Sommeil profond“ selbst ist rätselhaft. Ist es ein Tablett, ein Wandobjekt oder war es mal ein Einsatz in einem Schrank. Doch vielleicht muss der eigentliche Zweck noch erträumt werden – während die Regionale nicht nur in Freiburg ganz real erfahren werden kann.
Regionale 26. Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21. Bis 11.01.26. Morat-Hallen, Lörracher Str. 31. Bis 11.01.26. Delphi_Space, Brombergstr. 17c. Bis 4.01.26.
Bild: Blick in die Ausstellung der Morat-Hallen @ M. Doradzillo



