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Vom Schwarzmarkt zum Eigenanbau: Eine neue Studie zeigt Kurswechsel beim Cannabiskonsum

Der süßlich-scharfe Geruch von Cannabis liegt längst nicht mehr nur in Hinterhöfen und verrauchten WG-Zimmern in der Luft, er

Vom Schwarzmarkt zum Eigenanbau: Eine neue Studie zeigt Kurswechsel beim Cannabiskonsum

Der süßlich-scharfe Geruch von Cannabis liegt längst nicht mehr nur in Hinterhöfen und verrauchten WG-Zimmern in der Luft, er ist in deutschen Innenhöfen, Wohnzimmern und auf Balkonen angekommen. Seit der Teillegalisierung hat sich das Bild vom „illegalen Joint“ gewandelt. Das zeigt auch eine neue Studie des Instituts für Suchtforschung (ISFF) der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Freiburg. Seit dem 1. April 2024 regelt das neue Cannabisgesetz (CanG) den legalen Bezug von Cannabis in Deutschland neu und viele Konsumierende nutzen die neuen Möglichkeiten bereits aktiv. Fast 11.500 Personen nahmen an der nun veröffentlichten Befragung teil. Ziel war es, insbesondere regelmäßig oder häufig Konsumierende zu erreichen und Veränderungen bei Konsummustern, Bezugsquellen und Einstellungen zu untersuchen.

Vom Heilmittel zum Politikum

Cannabis zählt zu den ältesten bekannten Rauschmitteln weltweit und besitzt eine lange Geschichte als Nutz- und Heilpflanze. In Deutschland haben laut dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen Hendrik Streeck etwa 18 Millionen Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal Cannabis konsumiert. Rund 40 Prozent der Erwachsenen im Alter von 18 bis 59 Jahren geben an, mindestens einmal Cannabis probiert zu haben. In den letzten zwölf Monaten sollen etwa 10 Prozent der Erwachsenen und 7,6 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren Cannabis konsumiert haben.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes am 1. April 2024 sind der Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene in Deutschland unter bestimmten Bedingungen legal. Personen ab 18 Jahren dürfen im privaten Rahmen bis zu 50 Gramm Cannabis zu Hause lagern und bis zu 25 Gramm mit sich führen. Zusätzlich ist es erlaubt, bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigenbedarf selbst anzubauen. Darüber hinaus können Erwachsene Mitglied in sogenannten Anbauvereinigungen werden. Diese dürfen Cannabis gemeinschaftlich anbauen und innerhalb der Vereinigung an Mitglieder zur eigenen Nutzung abgeben. Trotz der teilweisen Legalisierung bleiben Weiterverkauf und Weitergabe außerhalb dieses Rahmens weiterhin strafbar. Auch der Konsum ist nicht überall erlaubt. In der Nähe von Schulen, Kitas, Spielplätzen, Jugendzentren und Sportstätten sowie generell in Sichtweite solcher Einrichtungen ist das Kiffen ausdrücklich verboten.

Entkriminalisierung spielt eine zentrale Rolle, um gesellschaftliche Probleme aus der Illegalität herauszuholen und den betroffenen Menschen mehr Schutz und Unterstützung zu bieten. Wenn bestimmte Verhaltensweisen oder Lebensrealitäten kriminalisiert werden, führt das häufig zu Stigmatisierung, Ausgrenzung und Unsicherheit. Das kann dazu führen, dass Betroffene aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen den Kontakt zu Hilfsangeboten meiden. Durch Entkriminalisierung wird der rechtliche Druck verringert, was den Zugang zu Beratung, medizinischer Versorgung und sozialer Unterstützung erleichtert. Gleichzeitig ermöglicht sie eine bessere Regulierung und Kontrolle. Auch fördert Entkriminalisierung den gesellschaftlichen Dialog, indem sie Vorurteile abbaut und Verständnis schafft.

Cannabisgebrauch wird privater

Die Studie des Instituts für Suchtforschung bringt nun neue Erkenntnisse zu dem Umgang mit Cannabis. Die Ergebnisse zeigen eine klare Verschiebung weg vom illegalen Markt hin zu legalen Bezugsmöglichkeiten. 88 Prozent der befragten Erwachsenen gaben an, ihr Cannabis in den letzten sechs Monaten hauptsächlich aus legalen Quellen zu beziehen, etwa durch Eigenanbau oder rezeptpflichtigen Bezug über (Online-)Apotheken. Vor Inkrafttreten des Gesetzes nutzten nur 24 Prozent eine der heute legalen Optionen als Hauptquelle. „Die Befragung zeigt, dass das Cannabisgesetz bereits jetzt ein Erfolg im Hinblick auf die Schwächung des illegalen Marktes ist“, erklärt Prof. Dr. Bernd Werse, Direktor des ISFF und Projektleiter. Der Konsum selbst findet meist im privaten Rahmen statt. Jugendliche hingegen nennen den öffentlichen Raum deutlich häufiger als Konsumort. Beliebteste Konsumformen sind der klassische Joint mit Tabak sowie Vaporizer. Rund 20 Prozent der Befragten konsumieren auch synthetische Cannabisprodukte.

Copyright: Leon Kohle/pexels

Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich in der Studie ebenfalls: Während Männer deutlich häufiger regelmäßig konsumieren, ist der Cannabiskonsum bei Frauen insgesamt seltener, aber risikoreicher. Frauen und Jugendliche nutzen eher riskante Konsumformen und greifen häufiger zu synthetischen Cannabinoiden. Zudem beziehen Frauen ihr Cannabis öfter von Freund:innen statt selbst legal zu kaufen, was auf weiterhin bestehende Barrieren beim Zugang hinweist. Diese Erkenntnisse bieten wichtige Ansatzpunkte für eine gezielte Prävention und Aufklärung.

Die Befragung liefert damit wertvolle Einblicke für die laufende Evaluation des Cannabisgesetzes durch die Bundesregierung. Eine erste offizielle Teilevaluation wird für Herbst 2025 erwartet. „Bisher liegen keine belastbaren Hinweise zur zentralen Frage vor, wie sich die Beschaffung verlagert hat. Unsere Studie mit ihrer großen erreichten Stichprobe wird genau zu diesem Punkt als externe Quelle für die offizielle Evaluation wichtige Erkenntnisse liefern.“, so Prof. Werse.

Zwischen Fortschritt und Kritik

Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland markiert einen bedeutenden Schritt, um den Konsum und Handel aus der Illegalität zu holen und besser zu regulieren. Ziel ist es, den Schwarzmarkt zu schwächen, den Zugang zu sichereren Produkten zu ermöglichen und den Schutz von Konsumierenden zu erhöhen. Die Entkriminalisierung trägt zudem dazu bei, Stigmatisierung abzubauen und Betroffenen den Weg zu Beratung und Unterstützung zu erleichtern. Die Ergebnisse der aktuellen Studie bestätigen diesen positiven Effekt. Mehr als drei Viertel der Befragten geben an, durch das neue Gesetz keine Angst mehr vor Strafverfolgung zu haben, und mehr als zwei Drittel fühlen sich offener, bei Problemen mit dem Konsum Hilfe zu suchen. Dies fördert einen offeneren Umgang mit dem Thema und erleichtert es vielen, bei Problemen Hilfe zu suchen. Die Legalisierung schafft somit nicht nur rechtliche Klarheit, sondern unterstützt auch Prävention und Gesundheitsförderung.

Ein Jahr nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes hat sich einiges getan. Zwar wird die Entkriminalisierung von vielen Fachleuten als sinnvoller Schritt gesehen, etwa weil Konsumierende weniger Angst vor Strafverfolgung haben und der illegale Markt geschwächt wird, doch zugleich wird auch Kritik laut. Die Polizei beklagt hohen Kontrollaufwand und unklare Regeln, etwa zu Konsumverbotszonen. Der Konsum ist zudem mit verschiedenen Risiken verbunden. So ist nach Alkohol der missbräuchliche Gebrauch oder die Abhängigkeit von Cannabinoiden die zweithäufigste Hauptdiagnose bei stationären und ambulanten Behandlungsfällen in der Suchthilfe. Psychiatrische Fachleute verweisen auf Risiken wie Psychosen oder erhöhten Konsum unter Jugendlichen, Phänomene, die auch in anderen Ländern nach der Legalisierung beobachtet wurden. Auch politisch ist das Gesetz umstritten. Während CDU und CSU eine Rückabwicklung fordern, spricht sich die SPD für eine Weiterentwicklung aus. Nicht nur Fachleute, auch die Gesellschaft zeigt sich beim Thema Cannabis gespalten. Laut einer repräsentativ gewichteten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa sprechen sich 38 Prozent der Befragten für eine Rücknahme der Legalisierung aus. Genauso viele wollen die aktuellen Regelungen beibehalten. Elf Prozent wünschen sich sogar eine noch weitergehende Freigabe mit weniger Einschränkungen.

Die Studie des ISFF liefert somit eine wichtige Datenbasis für die geplante offizielle Evaluation des Cannabisgesetzes, die für Herbst 2025 erwartet wird. Sie zeigt, dass der Kurswechsel hin zu legalen Bezugswegen und einer Entkriminalisierung in der Praxis bereits spürbar ist, aber auch, dass Herausforderungen im Bereich Prävention, Kontrolle und gesellschaftlicher Akzeptanz weiter bestehen. Insgesamt bestätigt die Studie, dass die Legalisierung von Cannabis in Deutschland wichtige Fortschritte bringt, indem sie den illegalen Markt schwächt, den Schutz der Konsumierenden stärkt und den Weg zu Hilfe und Beratung öffnet. Gleichzeitig bleibt Cannabis ein Thema, das sensibel und kontrovers diskutiert wird und einen offenen, sachlichen Dialog erfordert, um gesundheitliche Risiken zu minimieren und gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern.

Beitragsbild: Copyright: Nataliya Vaitkevich/pexels

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Alisa Guschker