Nachhaltig Stadtleben

Mediterranes Experiment am Kaiserstuhl: Lavendel und Olivenbäume im Zeichen des Klimawandel

Violette Lavendelfelder, silbrig glänzende Olivenhaine – was klingt wie ein Bild aus der Provence, ist tatsächlich Realität bei uns

Mediterranes Experiment am Kaiserstuhl: Lavendel und Olivenbäume im Zeichen des Klimawandel

Violette Lavendelfelder, silbrig glänzende Olivenhaine – was klingt wie ein Bild aus der Provence, ist tatsächlich Realität bei uns vor der Haustür. Am Kaiserstuhl wagen Landwirte den Anbau mediterraner Pflanzen und zeigen wie die Landwirtschaft mit dem Klimawandel mithalten kann. Zwischen Vogtsburg und Ihringen verändert sich die Landschaft. Wo einst fast ausschließlich Weinreben die Hänge prägten, breiten sich heute auch Lavendelbüsche aus. Ein paar Kilometer weiter stehen 80 knorrige Olivenbäume, manche über 100 Jahre alt. Eine Szene wie aus Südfrankreich oder Spanien, doch wir befinden uns im Kaiserstuhl und er wird immer wärmer.

Duftende Pionierarbeit

Was auf rund einem Hektar bei Vogtsburg-Bischoffingen begann, ist heute ein ambitioniertes Projekt mit Zukunftsperspektive. Die Idee wurde aus der Provence importiert, wo Lavendel seit Jahrhunderten als Nutzpflanze kultiviert wird. Auf der Lavendelfarm „Kaiserstuhl Lavendel“ wurde 2021 nach französischem Vorbild mehrere Lavendelsorten auf dem sonnigen Lössboden gepflanzt. Die Pflege ist aufwändig, aber lohnend. So muss die Pflanze zum Beispiel regelmäßig zurückgeschnitten werden, um verholzte Triebe zu vermeiden. Auch die Unkrautregulierung erfolgt größtenteils händisch, da chemische Mittel vermieden werden. Der Lavendel wird zur Blütezeit Ende Juni bis Mitte Juli geerntet, in Bündeln getrocknet und anschließend vor Ort destilliert. Das daraus gewonnene ätherische Öl wird in kleinen Chargen zusammen mit Seifen, Körperlotionen und Duftkissen verkauft.

Der Standort Kaiserstuhl bietet günstige Voraussetzungen für den Lavendelanbau: Kalkhaltiger Lössboden, überdurchschnittlich viele Sonnenstunden und relativ geringe Niederschläge. Lavendel gilt zudem als ein echter Bodenverbesserer. Er benötigt wenig Wasser, schützt vor Erosion und zieht Bienen und Schmetterlinge an.

Oliven am Kaiserstuhl

Noch ungewöhnlicher ist der Anblick von Olivenbäumen am Kaiserstuhl. Gary Weiand, Arzt und Winzer, wagte 2020 das Experiment, etwa 80 Olivenbäume in seine Weinberge bei Ihringen zu integrieren. Die 80 bis 100 Jahre alten Bäume wurden aus Andalusien importiert. Es handelt sich überwiegend um Picual- und Arbequina-Sorten, die für ihren hohen Ölertrag und ihre Frosttoleranz bekannt sind. Die Pflege erfolgt minimalinvasiv, ohne Pestizide oder Herbizide. Die Ernte ist Handarbeit. 2023 wurden bereits rund 300 Kilogramm Oliven geerntet, genug für etwa 40 Liter Öl. Gepresst wurde in einer kleinen italienischen Mühle, die extra für diesen Zweck angeschafft wurde.

Doch der Alltag im Olivenhain ist alles andere als einfach. Zwar lieben Olivenbäume trockene Hitze, doch extreme Trockenphasen wie im Sommer 2023 führten dazu, dass Weiand etwa 40.000 Liter Wasser aufbringen musste, um die Bäume zu retten. Auch im Winter könnten Temperaturen unter -10 °C über mehrere Tage das Ende für viele Bäume bedeuten.

Doch die Olivenbäume am Kaiserstuhl leisten Pionierarbeit nördlich der Alpen. Wirtschaftlich tragfähig ist der Olivenanbau aktuell nicht, gibt Weiand zu. Die Investitionen in Transport, Pflege, Technik und Wasser sind hoch, die Erträge gering. Doch der Anbau ist mehr als ein romantisches Wagnis. Er ist ein Leuchtturmprojekt, der Perspektiven für die Zukunft im Klimawandel bietet.

400-jähriger Olivenbaum am Kaiserstuhl, Copyright: Gary Weiand

Zukunft oder schöne Illusion?

Beide Projekte profitieren vom sich verändernden Klima. Der Kaiserstuhl ist heute deutlich wärmer als noch vor 30 Jahren. Doch mit den Chancen wachsen auch die Risiken. Was heute gedeiht, kann morgen durch Spätfrost, Starkregen oder Dürre zerstört werden. Die Pflanzen selbst sind anpassungsfähig, doch die Umweltbedingungen bleiben fragil.

Landwirtschaftliche Fachleute warnen, dass solche Experimente nicht unkritisch als Lösungen gefeiert werden sollten. Vielmehr müsse man evaluieren, inwieweit sie skalierbar und ökologisch vertretbar sind. Denn was mit einem Hektar Lavendel oder 80 Olivenbäumen funktioniert, lässt sich nicht automatisch auf hunderte Hektar übertragen. Und es bleiben Fragen, wie das lokale Ökosystem auf diese neuen Einflüsse reagiert.

Ein Symbol für den Wandel

Trotz aller Kritik, stehen die mediterranen Pflanzen am Kaiserstuhl symbolisch für den Wandel des Klimas und auch der Denkweise. Statt auf Monokultur zu setzen, versuchen Landwirte heute neue Wege zu gehen, die nachhaltiger, vielfältiger und kreativer sind. Was früher allenfalls als botanisches Experiment möglich war, ist heute Realität. Olivenbäume, die noch vor wenigen Jahrzehnten keinen Winter im Breisgau überstanden hätten, schaffen es mittlerweile zu überleben. Lavendel gedeiht nicht nur im Ziergarten, sondern auch als Nutzpflanze in professionellem Anbau. Der Kaiserstuhl verändert sich. Und mit ihm wächst das Interesse an Pflanzen, die mit dem Klimawandel standhalten können. Ob Lavendel und Oliven am Kaiserstuhl dauerhaft heimisch werden, bleibt offen. Sicher ist, sie haben Diskussionen angestoßen über Landwirtschaft, Anpassung und das Gesicht der Region von morgen.

About Author

Alisa Guschker