Tarantino im schottischen Regen
Bea von Malchus’ neues Stück „Queens!“ feierte Premiere im Wallgraben Theater
Die Kurzversion könnte so lauten: es begann wie im Märchen und endete wie eine Gruselklamotte. Doch dann würde man einiges von hohem Unterhaltungswert verpassen. Dass Bea von Malchus, deren neue Produktion „Queens!“ am 23. September im Wallgraben Theater Premiere feierte, sowohl das Märchenhafte als auch das Groteske kann, hat sie in unzähligen Programmen bewiesen.
Der Titel „Queens!“ beschreibt eigentlich ein Unding, Königinnen kann es nicht in der Mehrzahl geben, es sei denn in genealogischer Reihenfolge. Königinnen klingt nach Intrigen und Krieg. Doch für eine Übereinkunft unter Freundinnen war das 16. Jahrhundert nicht gemacht und Elizabeth I. und Maria Stuart auch nicht erzogen. Die beiden waren derart im – konfessionellen – Streit miteinander verbunden, dass man den Namen der einen nicht ohne den anderen denken kann. Was natürlich auch an Schiller liegen kann.
Bea von Malchus‘ „Queens!“ greift auf einen Stoff zurück, der so dramatisch ist, dass man kaum die Konflikte schüren muss. Mit Heinrich VIII. hat Elizabeth einen Vater, der eine Ehefrau nach der anderen umbringt und sie und ihre Halbschwester (Bloody) Mary zu Bastarden erklärt – da hoffte er noch auf einen männlichen Nachkommen. Dies wird ihrer Widersacherin Maria Stuart erst ermöglichen, Anspruch auf den englischen Thron zu stellen.
Da ist eine protestantische Herrscherin, die sich Berater und vermutlich Liebhaber hält, aber unverheiratet bleiben will und ihre allseits umschwärmte katholische Widersacherin, die sich schnell verliebt, aber unglücklich heiratet, was auf der Bühne Gelegenheit zu inbrünstigen Liebesliedern im Erzähltheater gibt (musikalische Regie: Sascha Bendiks). Und da ist noch ein dritter Mitspieler: Schottland. Ein Land, auf das sehr viel Regen und Nebel niedergeht und über das wortkarge, aber kampfbereite Männer in karierten Röcken stürmen. In dem es aber auch trutzige Burgen und Schlösser gibt, in deren Parks man, wenn man eine Erzählerin von Königinnen Gnaden ist, Krähen, Fledermäuse und anderes Getier flattern lassen kann.
Bea von Malchus hat sich mit spitzen Stiefeln und einem altrosafarbenen Umhang, der sogar für Heinrich VIII. ein paar Beinkleider hergibt, auf einem schwarzen Drehstuhl selbst inthronisiert (Kostüm: Sarah Mittenbühler). Und erzählt lebhaft und oftmals grimassierend von den Heiraten und Verschwörungen. Eine Raute hier und Angela Merkel wird zur legitimen Nachfolgerin der englischen Königin, ein „I made war great again“ von Bloody Mary und Donald Trump gewinnt an historischer Respektabilität. Die übrigens nicht lange an der Macht war. Von Malchus Erzählkosmos ist mit fast so viel Personal bevölkert wie Stücke von Shakespeare, da gibt es windige Berater, wilde Clanchefs und „grenzdebile“ französische Thronanwärter, mit denen die umschwärmte Maria Stuart verheiratet wird.
Das 16. Jahrhundert ist ein Fremdkörper. Es hat zwei Frauen hervorgebracht, die unbedingt Königinnen werden wollten, aber zumindest eine genoss eine Erziehung, die „zierte, aber nicht qualifizierte“, während die andere England eine lange Friedensperiode bescherte wie eine Torte „mit Shakespeare obendrauf“. Unterschwellig bricht sich die Gewalt immer wieder Bahn, so entführt Lord Bothwell Maria Stuart, vergewaltigt sie über mehrere Tage und heiratet sie, Maria Stuarts vermeintlicher Liebhaber David Rizzio wurde durch nicht weniger als 56 Messerstiche getötet.
„Tarantino“, heißt es da bei von Malchus nur kurz. Und zwischen den Falten der Geschichte hat auch noch eines der vielen Hündchen bei von Malchus Platz. Es stob, nachdem der dritte Hieb des Henkers Maria Stuart dann doch tötete, aus ihren Röcken hervor. Es muss den Schock seines Lebens erlitten haben.
Weitere Vorstellungen: 15. Oktober, 19. November, 17. Dezember im Vorderhaus, jeweils 19 Uhr.
Annette Hoffmann