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Sieben Festivals im Jahr: Im Gespräch mit Benedikt Stampa, Intendant des Festspielhauses Baden-Baden

Seit 2019 leitet Benedikt Stampa das Festspielhaus in Baden-Baden. Er führte das Haus durch Corona, das viele Kulturveranstalter stark

Sieben Festivals im Jahr: Im Gespräch mit Benedikt Stampa, Intendant des Festspielhauses Baden-Baden

Seit 2019 leitet Benedikt Stampa das Festspielhaus in Baden-Baden. Er führte das Haus durch Corona, das viele Kulturveranstalter stark belastet hat. Und nun ist überall von Einsparungen bei der Kultur die Rede. Etats werden gekürzt, Programme ausgelichtet. Trifft die Krise auch das Festspielhaus? Mit Benedikt Stampa sprach Nike Luber.

Kultur Joker: Die Stadt Baden-Baden steht vor erheblichen finanziellen Problemen. Schlägt das auf das Festspielhaus durch?

Benedikt Stampa: Nein. Die Stadt Baden-Baden trägt weiter den Unterhalt des Festspielgebäudes. Künstlerisch sorgen wir durch die Kulturstiftung, private Förderer und Ticketerlöse selbst für uns.

Kultur Joker: Als Sie 2019 die Leitung des Festspielhauses übernommen haben, meinten viele, Sie könnten sich in ein gemachtes Nest setzen. Ist das so?

Benedikt Stampa: Sich ins gemachte Nest zu setzen entspricht nicht meinem Naturell, ich schüttele lieber die Betten aus. Ich wollte nie einfach das Bestehende fortführen. Wir haben bei den Oster-, Pfingst- und Sommerfestspielen viele Neuerungen eingeführt. Bei den Sommerfestspielen „La Capitale d’Été“ ist der Dirigent Yannick Nézet-Seguin Festspielkurator. Es macht viel Spaß, mit ihm Programme zu machen. Wir beziehen bei vielen Festivals die Stadt Baden-Baden mit ein. Wir spielen im Kurhaus, in Museen und an vielen Orten in der Stadt. Außerdem setzen wir stärker auf Programme für alle Altersgruppen und Angebote zum Mitmachen. Wir laden ein, hinter die Kulissen zu blicken und den Künstlern näher zu kommen.

Kultur Joker: Welche Neuerungen haben sich als Erfolg erwiesen?

Benedikt Stampa: Ich wollte festspielwürdige Opern bei den Osterfestspielen. Wir haben Opern von Richard Strauss gegeben, von Pjotr Tschaikowsky und zuletzt „Madama Butterfly“. Es waren große und erfolgreiche Produktionen, zwei von ihnen sind zur „Oper des Jahres“ gewählt worden: 2023 „Frau ohne Schatten“, Regie Lydia Steier, 2025 „Madama Butterfly“, Sopranistin Elenora Buratto.
Auch die Kammermusik hat sich rasant entwickelt. Aus dem Gastspiel des Hamburg Ballett im Herbst ist ein zweiwöchiges Tanzfestival geworden. „The World of John Neumeier“ mit John Neumeier als spiritus rector zeigt nicht nur die Klassiker der Neumeier-Choreografien für das Hamburg Ballett, in Baden-Baden tanzen dann renommierte Gastcompagnien wie das Bayerische Staatsballett München, auch das Bundesjugendballett tanzt. Es gibt Performances überall in der Stadt.

Kultur Joker: Wenn wir von Tanz reden – ist das bis zum Ukrainekrieg alljährliche Weihnachtsgastspiel des Mariinsky Balletts aus St. Petersburg mit den Ballett-Klassikern von Tschaikowsky wie „Schwanensee“ und „Der Nussknacker“ zu ersetzen?

Benedikt Stampa: Das Mariinsky Ballett ist nicht zu ersetzen. Es war ein Schock für uns. Ich habe mit Valery Gergiev, dem Intendanten des Mariinsky Theaters, schon am Konzerthaus Dortmund zusammengearbeitet. Es war eine eingespielte Partnerschaft, wenn die vielen LKW aus St. Petersburg nach Baden-Baden zu den Sommerfestspielen und dem Ballettgastspiel zu Weihnachten anrollten. Aber Gergiev hat sich sehr nah an Wladimir Putin positioniert. Dieses Jahr im Dezember, wird das Nationalballett der Ukraine zu Besuch sein mit dem getanzten Märchen „Die Schneekönigin“. Die drei Vorstellungen sind, neben der inszenierten Oper „Don Giovanni“, der Schwerpunkt der diesjährigen Winterfestspiele. 2026 kommt das Nationalballett Bratislava mit „Schwanensee“.

Kultur Joker: Als Sie 2019 vom Konzerthaus Dortmund zum Festspielhaus Baden-Baden wechselten, haben Sie Baden-Baden als einen Sehnsuchtsort bezeichnet. Sehen Sie das immer noch so?

Benedikt Stampa: Baden-Baden ist nach wie vor ein Sehnsuchtsort. Es liegt nahe an Frankreich, hat eine hohe Lebensqualität, die Künstler kommen gerne hierher. Wenn ich einen Traum habe, dann den, Baden-Baden zu einer der wichtigsten Festspielstädte zu machen. Wir sind ein regionales Haus, aber eine wachsende Zahl von Zuschauern übernachtet hier. Der Vergleich mit Salzburg passt überhaupt nicht. Wir haben eine ganz andere Bespielungsidee mit sieben Festivals im Jahr.

Kultur Joker: Wie sieht ein typischer Tag im Leben des Benedikt Stampa aus?

Benedikt Stampa: Es gibt keinen typischen Tag. Meine Tage sind von Routine weit entfernt. Es geht um Organisation, Finanzen, die Pflege von Künstlerbeziehungen. Ich fange gegen 9 Uhr im Büro an und mache Geschäftsführung, plane Programme, bespreche das Marketing. Dann begrüße ich Backstage die Künstler und besuche die Probe. Nach dem Mittagessen, evt. mit Sponsoren oder Förderern, gibt es einen schnellen Cappuccino. Abends ziehe ich mich um, gehe durchs Haus, treffe in der Club Lounge die Förderer, besuche die Vorstellung, danach geht es mit den Künstlern und Konzertpaten zum Diner. Gerade Festivaltage sind sehr lange Tage. Sieben Festivals im Jahr sind ja auch emotional ein intensives Erlebnis. Unserer künstlerische Planung hat vier bis fünf Jahre Vorlauf, da hängen Dirigenten, Agenten, Orchester dran. Aktuell reicht unsere Planung bis 2030.

Kultur Joker: Was braucht man für den Job des Festspielhaus-Intendanten, abgesehen vom Doppelstudium Musikwissenschaft und Kulturmanagement?

Benedikt Stampa: Ein gutes Nervenkostüm, viel Humor und einen nicht enden wollenden Optimismus. Es macht ja Spaß, wenn das Haus voll ist, die Aufführung funktioniert, dann bin ich richtig zufrieden. Aber es gibt auch Abende, dann ist vielleicht der Künstler schlecht drauf, ein Sponsor unzufrieden. In so einem Fall frage ich nach den Gründen. Insgesamt ist der Zufriedenheitsgrad bei den Förderern sehr hoch. Die „Fördererfamilie“ basiert auf einem langjährig aufgebauten Vertrauen.

Kultur Joker: Was tun Sie, um sich zu entspannen?

Benedikt Stampa: Das fragt meine Frau auch immer. Wir gehen gern spazieren, Baden-Baden und die Umgebung ist zauberhaft. Ich gehe gern ins Café und komme mit Menschen ins Gespräch. Ein Freund von mir hat eine wunderbare Stereoanlage, wir hören zusammen gern alte Langspielplatten. Meine Sammlung reicht bis 2010. Aber wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir mehr Zeit zum richtigen Entspannen wünschen.

Kultur Joker: Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Freude und Erfolg.

Bild: Benedikt Stampa © Kiran West

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Nike Luber