Muster und Variation: Das Museum Ritter zeigt Beat Zoderers „Nimbus des Alltäglichen“
Im Kabinett von Beat Zoderers Ausstellung im Museum Ritter sieht es ein bisschen so aus wie in seinem Atelier.
Im Kabinett von Beat Zoderers Ausstellung im Museum Ritter sieht es ein bisschen so aus wie in seinem Atelier. Arbeiten hängen da, an denen man im ersten Raum von „Nimbus des Alltäglichen“ bereits vorbeigekommen ist, Modelle sind zu sehen und viele Materialerprobungen. In Jürg Eglis Film „Zwischen Kalkül und Zufall“, den man auf einer Hocker-Edition des Künstlers verfolgen kann, sieht man Zoderer nicht nur im Atelier, sondern in verschiedenen Werkstätten, selbst auf dem Areal einer Tankstelle hämmert er noch. Der Film verfolgt zudem die Planung, Herstellung und Installation von einer seiner durchbrochenen, voluminösen Kugeln aus farbigen Metallstreifen. Als sie ihren Platz in einem Bürogebäude aus sehr viel Glas und Stahl gefunden hat, wirft die Kamera einen Blick auf die Arbeitsplätze. Die Angestellten der Firma haben viel mit Tabellen zu tun, deren Balkenstruktur findet sich in Zoderers Arbeiten oder umgekehrt. Und immer wieder sieht man den Musiker Nik Bärtsch, wie Zoderer auch Schweizer, am Klavier. Es klingt nach Minimalmusic mit ihrem charakteristischen Wechsel von Patterns und Variationen. Grids, Raster, finden sich in fast allen Arbeiten des 1955 in Zürich geborenen Künstlers und die unbändige Lust, aus ihnen die größte denkbare Abweichung herauszubrechen und dies auf eine so spielerische wie systematische Weise. „Mir ist kein Material heilig, aber alles ist selig“, lautet eine im Video eingeblendete Notiz aus Zoderers Skizzenbuch. Man könnte dies auch auf die Form übertragen. In Waldenbuch sind nun 60 Arbeiten zu sehen, die bis in die 1980er Jahre zurückgehen.

Zoderer gehört zu jenen Künstlern, die das Erbe der Zürcher Konkreten verwalten, indem sie es auseinandernehmen und neu zusammenfügen. Er arbeitet viel mit industriellen Materialien, die genormt sind und mit Farben, die dem RAL-Spektrum entsprechen. Aus dieser Festlegung entsteht eine große Freiheit. Die Kunstgeschichte ist dabei eine ständige Referenz. So greift die Installation „Hommage an das unreine Quadrat“ aus dem Jahr 2007 die Petersburger Hängung und das schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch auf und beruht zugleich auf der Zahl Acht, die die Weißtöne ebenso bestimmt wie auch die verschiedenen Holztypen, und „Billig Bill“, ein Bild aufgezogen auf Stoff, Holz und einem Rohr, so dass in der Mitte ein Fünfeck in der Form eines stilisierten Hauses entsteht, spielt auf Max Bill an. Doch Zoderer malt eben nicht nur, er zersägt und fügt neu zusammen, er wickelt, knickt und faltet, er treibt Metall und klebt. Nicht grundlos hat die Schweiz mit USM Haller ein Bürosystem hervorgebracht, das auf Modulen beruht. Zoderer macht Bilder aus Haftaufklebern wie Namensschilder oder Punkte Bilder, und das gleich mit einiger Obsession, besteht die Serie „Herma“ doch aus 24 Teilen. Oder er arrangiert Büroordner zu einer siebenteiligen Reihe an der Wand, die aus je vier Ordnern bestehen, die so angeordnet sind, dass sich in der Mitte erneut ein Quadrat auftut. Alles eine Frage der Organisation.
Dieses Modulsystem und die industriellen Materialien ermöglichen es, dass man dem Künstler in seine Karten schauen kann. Gleich im ersten Raum lässt sich beobachten, wie sich ein Raster verändert, nimmt man es als Negativ- oder Positivform. Und wie sich bei „Quadratur des Kreises“, das aus einem auf der einen Seite orange, auf der anderen Seite grün bemalten Blech besteht, die Farbe ändert, wenn man die Fläche in den Raum knickt. Und mitunter scheint er den Betrachtenden Streiche zu spielen. „Tempel der Kunst“ sieben Buchstaben waagrecht, „Sein oder Nichtsein“ fünf waagrecht, „lateinisch ich“ neun Buchstaben sowohl waagrecht als senkrecht? Das ergibt keinen Sinn. Löst man sich jedoch von den Worten in „Das große Kreuzworträtsel“ und geht auf Abstand, entsteht aus den dunklen Kästchen auf Weiß mit einigem Abstand ein menschliches Antlitz. Es wird sich um jemand handeln, der gerne spielt.
Beat Zoderer, Nimbus des Alltäglichen. Museum Ritter, Alfred-Ritter-Str. 27, Waldenbuch. Di – So 11-18 Uhr. Bis 21.09.25
Bildnachweis: Beat Zoderer: „Billig Bill“, 1984 © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: André Huber





