Die Geschichte einer Whistleblowerin: Der Fall von Maureen Kearney und ihr Kampf gegen die französische Atomindustrie gleicht einem Krimi – jetzt ist ein Roman erschienen, der sich ihrer Geschichte widmet
Welche unfassbaren Geschichten sich um Whistleblower spinnen, ist spätestens seit Julian Assange und Edward Snowden kein Geheimnis mehr. Dass
Welche unfassbaren Geschichten sich um Whistleblower spinnen, ist spätestens seit Julian Assange und Edward Snowden kein Geheimnis mehr. Dass Industrien und gewiss auch einige Regierungen dem grunddemokratischen Verständnis transparenter Prozesse im Weg stehen, sollte auch keinen mehr überraschen. Vor allem dann nicht, wenn es um Macht und Profit geht.
Im Fall von Maureen Kearney ist man als Lesende dann doch überrascht: Einem Krimi gleichend erzählt Caroline Michel-Aguirre in „Die Gewerkschafterin: Im Räderwerk der Atommafia“ (2025, Edition Einwurf) auf 224 Seiten die Geschichte der französischen Whistleblowerin Maureen Kearney. Wunderbar und lebendig aus dem Französischen übersetzt von Eva Stegen wird der Fall in drei Akten aufgearbeitet. Eine Geschichte, in der das Schweigen, wie die Autorin in ihrem Vorwort so treffend schreibt, einer der wichtigsten Akteure ist. Und so blieb die Geschichte der Maureen Kearney lange unbenannt.

Frankreich, 17. Dezember 2012. Bei der Polizei geht ein Notruf ein, am Apparat die Haushälterin von Maureen Kearney. „Guten Tag, ich bin die Haushälterin einer Dame. Und als ich bei dieser Dame ankam, war sie auf einem Stuhl gefesselt, mit Klebeband über dem Mund und einer Mütze über den Augen.“ – „Sie hatte so eine dreieckige Wunde auf dem Bauch und dann hatte sie ein Messer zwischen den Beinen, in ihrer Va…“. Gewalt, Brutalität und Gier. Gleich zu Beginn dieses Tatsachenromans werden die Lesenden mitten ins Geschehen geschmissen. Bekommen das Ausmaß der Gewalt und Ungerechtigkeit vor Augen geführt, das die Geschichte bis zu ihrem Ende durchziehen wird. Wer dieses Buch zur Hand nimmt, sollte sich zuvor darüber bewusst sein, dass es sich nicht nur um eine wahre Geschichte handelt, sondern auch um den Roman einer Investigativjournalistin. Das ist wichtig, wirkt es sich doch auf Tempo und Erzählweise aus, zugleich dürfen sich die Lesenden auf fundierte Recherchen einer Journalistin freuen, die nach dem Gau in Fukushima auch über das Gebaren der dortigen Atomkonzerne berichtete. Für dieses Werk nun arbeitete sie intensiv mit Maureen Kearney zusammen.
Zurück zur Geschichte. Maureen Kearney, eine irische Gewerkschafterin, die seit über 30 Jahren in Frankreich lebt, arbeitete als Englischlehrerin für den französischen, halb staatlichen Atomkonzern Areva. Später wurde sie Vorsitzende des europäischen Konzern-Betriebsrats und sollte in dieser Position auf einen geheimen Deal stoßen, der ihr Leben um 180 Grad verändern wird. Besagter Deal, in den Areva, das staatliche Energieunternehmen Electricité de France (EDF) und die chinesische Firma China General Nuclear Power Corporation (CGNPC) verwickelt waren, sah den Transfer sensibler Nukleartechnologien nach China vor. Geheim, versteht sich. Denn dieses Vorhaben könnte nicht nur zehntausende Arbeitsplätze gefährden, sondern wirft zudem kritische Fragen bezüglich des Austauschs von Technologie und der nationalen Sicherheit auf. Fragen, vor denen sich Maureen Kearney nicht scheut. Entschlossen, diesen Deal zu verhindern und die Arbeitsplätze der 50.000 Areva-Mitarbeitenden zu schützen, verstrickt sie sich in ein Spiel zwischen den Mächtigen dieser Welt und lässt die Lesenden einen seltenen Blick hinter die Kulissen der Atomindustrie werfen. Doch kurz bevor sie mit Präsident Hollande sprechen konnte, wird Maureen in ihrem Haus brutal überfallen, gefesselt und sexuell misshandelt. Eine direkte Reaktion auf ihre Aktivität als Whistleblowerin. Lesenswert – aber nichts für schwache Nerven.
Caroline Michel-Aguirre: „Die Gewerkschafterin. Im Räderwerk der Atommafia“. Übersetzung: Eva Stegen. Verlag Edition Einwurf. 2025.





