Kunst

Material des Wandels: Im Mittelpunkt der Berner Ausstellung „Und dann kam Bronze“ steht eine Hand

Nach ein paar Tagen wurde es den Detektoristen dann doch zu heiß. Die Funde, auf die sie durch ihre

Material des Wandels: Im Mittelpunkt der Berner Ausstellung „Und dann kam Bronze“ steht eine Hand

Nach ein paar Tagen wurde es den Detektoristen dann doch zu heiß. Die Funde, auf die sie durch ihre Metallsonden in Prêles gestoßen waren, schienen bedeutsam. Sie übergaben sie der Berner Archäologie. Dort wusste man nicht, was man von dieser merkwürdigen Hand halten sollte. Eine Fälschung, ein Fake oder doch etwa eine Sensation? Erst eine Nachgrabung und der Fund eines fehlenden Fingers bekräftigte die Echtheit. Das Artefakt, das 2017 im Berner Jura oberhalb des Bieler Sees von zwei Sondengängern gefunden wurde, dürfte 3500 Jahre alt sein. In Bern ist es nicht grundlos jetzt zusammen mit einer Nachbildung der Himmelsscheibe von Nebra ausgestellt, beide Objekte stammen aus der gleichen Zeit und veränderten den Blick der Archäologie auf diese Zeit und auf die damalige Bedeutung Europas. Für die Detektoristen hatte der Fund jedoch ein Nachspiel, einer der beiden wurde zur Zahlung von 2500 Franken verurteilt. Sie hatten ohne Genehmigung gegraben. Für die Wissenschaft sind die Sondengänger Segen und Fluch zugleich. Sie bringen die Zeit mit, die die Archäologen nicht haben, doch sie zerstören eben auch Zusammenhänge, die für die Forschung so wichtig sind wie spektakuläre Funde.
Nach ersten Präsentationen in Biel, Halle und London ist die Hand derzeit im Bernischen Historischen Museum in der Schau „Und dann kam Bronze!“ zu sehen. Denn was diese eben auch so spektakulär macht, ist das Material. Die fast lebensgroße Hand, die im Grab eines Mannes gefunden wurde und innen hohl ist, besteht aus Bronze, der Schaft ist aus Gold und ist mit Ornamenten geschmückt. Die Forschung kennt keinen Vergleich, vermutlich ist es die frühste Abbildung eines menschlichen Körperteils in Europa. Die Hand ist wie die Himmelsscheibe von Nebra, die ebenfalls aus Bronze besteht, unikal. Dabei war es eben der Vorteil von Bronze, Dinge seriell im Gussverfahren herstellen zu können.

Die Himmelsscheibe von Nebra, die älteste bekannte Himmelsdarstellung der Welt © Bernisches Historisches Museum, Bern. Foto: Stefan Wermuth

In Bern wird die Hand geradezu theatralisch inszeniert, vertikal an der Wand einer Vitrine, perfekt ausgeleuchtet. Das Ominöse, das diese Präsentation ausstrahlt, hat viel damit zu tun, dass wir nicht wissen, für welchen Zweck die Hand entstanden ist. Als Prothese (eher nicht), als Teil einer Skulptur, als Szepter? Die Forschung kann da kaum mehr als mutmaßen. „Und dann kam Bronze“ schafft mit in die Wand eingelassenen Nischen Assoziationsfelder. Die Hand ist ein mit Bedeutung aufgeladenes Körperteil. Neben religiösen Skulpturen – außer der Schwurhand kennen wir die segnende Hand ‒, gibt es auch Nischen mit Handschuhen, die Fehden auslösen können, schützen oder zur Arbeit taugen. Frappierend an der Hand ist, dass sie Symbolkraft besitzt, auch wenn wir ihren ursprünglichen Zweck nicht kennen. Natürlich hat der Mensch auch vor der Bronze Werkzeuge hergestellt. Doch im Zusammenspiel mit der Hand ist das Material im guten und schlechten Sinne ein Ermöglicher. Es ist hart und kann in beliebige Formen gebracht werden. In Bern kann man das Replikat einer Sichel in die Hand nehmen, sie ist ergonomisch geformt und überraschend schwer, auch die Hand wiegt gut ein Pfund. Bronze veränderte die Feldarbeit. Und natürlich lassen sich aus Bronze Waffen herstellen. Bronze schuf neue Kräfteverhältnisse. Menschen gewannen Kriege, häuften Vermögen an, das dann wiederum oft aus Gold wie die kegelförmigen Goldhüte mit ihren kreis- und linienförmigen Verzierungen zeigen. Das Material veränderte diese frühen Gesellschaften, die sich in verschiedene Schichten schieden. Es schafft Ungleichheiten.
Der Fund ist zudem ein Hinweis auf einen komplexen und umfassenden Fernhandel, der Europa mit Asien und Ägypten verband. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und Zinn. Im Fall der Hand stammt das Kupfer vermutlich aus Irland, das Gold des Schaftes wahrscheinlich aus Frankreich. Die Region um die heutigen Städte Thun und Biel profitierte wohl von der alpenquerenden Nord-Süd-Route. Nach der Bronze kam übrigens das Eisen.

Und dann kam Bronze. Bernisches Historisches Museum, Helvetiaplatz 5, Bern. Di-So 10-17 Uhr. Bis 24.08.25

Bildnachweis: Die geheimnisvolle Bronzehand von Prêles © Bernisches Historisches Museum, Bern. Foto: Stefan Wermuth

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Annette Hoffmann

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