Twitter – „Digitale Volksverblödung garantiert“
Interessiert es sie, ob in China gerade ein „Sack Reis umfällt“? Ja? Dann dürfte ihr voyeuristischer Wissensdurst die weltweit
Interessiert es sie, ob in China gerade ein „Sack Reis umfällt“? Ja? Dann dürfte ihr voyeuristischer Wissensdurst die weltweit herausposaunte Mitteilung des Internet-Benutzers „RobGreen“ (ehemaliger Besitzer des Blogs BasicThinking) gierig aufsaugen, welcher am 18. März 2009 um cirka 14.30h einem Millionenpublikum erklärte: „Whopper reinzischen, mampf… endlich wieder was Vernünftiges essen :))“. Benutzer „cashblog“ stellte ungefähr zeitgleich fest: „Heute ist es wieder schön…“. Was macht Benutzerin „MOOnica“ eigentlich gerade? Unverhohlen teilt sie es der ganzen ‚am Puls der Zeit‘ hängenden Internet-Welt mit: „Hardcoregeburtstagskartenwriting“. User „b_thaler“ informiert alle Erdbewohner mit Internetanschluß darüber, „dass er sich jetzt einen Espresso bestellen wird, ihn aber nicht trinken wird“. Zwischendurch kleckst „cashblog“, dass sein O2-Surfstick wurderbar funzt“.

Falls sich die mir zugeneigte Leserschaft nun fragt, was ich mit diesem einleitenden und wirren Geschreibsel sagen möchte, kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht wissen, was „Twitter“ ist. Eventuell haben sie schon die freie und von jedem dahergelaufenen Studienabbrecher veränderbare Volksenzyklopädie „Wikipedia“ mit dem Begriff „Twitter“ beauftragt? Nein, noch nicht? Gut, dann werde ich das für sie tun:
[…] Twitter ist ein soziales Netzwerk und ein Mikro-Blogging-Dienst. Angemeldete Benutzer können Textnachrichten mit maximal 140 Zeichen senden und die Nachrichten anderer Benutzer empfangen. Die Nachrichten werden „Updates“ oder „Tweets“ (engl. to tweet, Deutsch zwitschern) genannt. Das soziale Netzwerk beruht darauf, dass man anderen Benutzern folgt (engl. „following“), das heißt die Updates anderer Benutzer abonniert. Benutzer, die einem Teilnehmer folgen, nennt man dessen „Follower“. Auf der Twitter-Startseite kann man Updates eingeben und die Updates der Personen, denen man folgt, chronologisch sortiert sehen. Der Absender kann entscheiden, ob er die Updates allen zur Verfügung stellen oder den Zugang auf eine Freundesgruppe beschränken will. […]

Alles klar? Wissen sie nun, was es bedeutet, über die Internetplattform „Twitter“ zu „twittern“? Ich werde die wikipedianische Erklärung ein wenig umformulieren:
Über Twitter können sie allen Internetusern, die sich der Verblödungsmaschinerie Twitter ebenfalls angeschlossen haben, mitteilen, was sie gerade tun, denken, fühlen, meinen, etc… Möchten sie weltweit bekannt geben, dass sie soeben defloriert worden sind? Twitter bietet ihnen dafür die geeignete Plattform. Laufen sie gerade Amok? Geben sie es über Twitter bekannt, damit BILD anschließend der debilen Leserschaft ihrer Postille ein Minutenprotokoll ihres Amoklaufs veröffentlichen kann. Plagt sie gerade eine nicht enden wollende Diarrhoe? Twitter verteilt die Nachricht dieser ihrer misslichen Situation millionenfach über den gesamten Erdball und vermutlich auch an extraterrestrische Lebensformen, die sich momentan auf Raumpatrouille in unserer Galaxie befinden, um die Intelligenz der Lebewesen des Planeten Erde zu erforschen. Das Raumschiff wird jedoch seine Heimatstation niemals erreichen, da es in einer Twitter-Nachrichtenflut elendig absaufen und letztendlich versinken wird.

Wenn sie nun denken, dass twittern nur etwas für Jugendliche zwischen 9 und 16 Jahren ist, so obliegen sie einem Irrtum. Während der Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten 2008, twitterte sich Barack Obama die Hände blutig, um Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Naja, er selbst twitterte vermutlich eher weniger, sondern ließ mit Hilfe von willfährigen StudentInnen twittern. Man könnte sagen: Präsident Barack Obama twitterte sich ins Weiße Haus.
Was macht die Internetplattform mit dem ganzen Datenmüll? Twitter sammelt personenbezogene Daten seiner Benutzer und teilt sie Dritten mit, welche dafür zahlen und Sorge tragen, dass weltweit alle Mailboxen mit Viagra-Werbemails gut gefüllt bleiben und sich Anti-Spam-Software weiterhin gut verkaufen lässt.
Die Welt twittert. Die Linken, die Rechten, die Mittleren, die Liberalen, die Neoliberalen, die Nazis, die Neonazis, die Kinderschänder, die Mörder, die Amokläufer, die Verliebten, die Verlassenen, die Toten – ja, die Toten twittern auch. Selbstverständlich gibt es Twitteraccounts namens „Hitler“, „Elvis Presley“, „Karl Marx“ und „Erich Honecker“. Auch Schwerverbrecher twittern – so beispielsweise „Fritzl“ (sie wissen schon, das österreichische „Inzest-Monster“) und „Dieter Bohlen“.

Ach, sie meinen, dass das wohl eher alles Fakes sind? Woher nehmen sie denn die Gewissheit? Und wenn schon, der Geist der gefakten Personen scheint auf die Faker übergesprungen zu sein. Kann man dann noch von einem Fake sprechen? Nein, eher von Inspiration. Apropos Inspiration – alle möglichen Sekten, Religionsgemeinschaften, Kirchen und anderweitig Zurückgebliebene sind ebenso auf www.twitter.com vertreten. Unser aller Held Papst Benedikt konnte sich zwar erfolgreich diversen Geschlechtsverkehren entziehen (zumindest behauptet er dies), dem Irrsinn Twitter aber nicht. Lediglich 30 Leute folgen dem Unfehlbaren auf Twitter – schade, dass dies im realen Leben nicht auch so ist.

Der Großteil der twitternden Personen ist selbstverständlich unter 18 Jahre alt. Die Twittersprache ist dieselbe, wie die SMS-Sprache. Kurze Sätze (es können pro Mitteilung maximal 140 Zeichen gesendet werden), unsinnige Nachrichten, Abkürzungen, Smileys, Hinweise auf Pornoseiten, Hinweise auf Brutalo-Videos, Hinweise auf Amokläufe, undsoweiterundsofort – das Übliche eben. Reduktion der Sprache auf Grunzlaute, welche nicht mehr als Sprache bezeichnet werden können.

Wann fuhren sie das letzte Mal in einer Straßenbahn und versuchten ein Gespräch zwischen Jugendlichen zu verstehen? Tja, wenn sie über 35 Jahre alt sind, ist dieses sabbelnde Gebrabbel und Gestottere nicht mehr verständlich. Dies sollte sie nicht verwundern, denn Jugendliche sprechen nicht mehr, sondern simmsen oder twittern.

Immer mehr Leute jammern über den Überwachungsstaat Deutschland (dies auch zu recht!), geben aber gleichzeitig der ganzen Welt ihre innersten Gefühle, Meinungen und Pläne preis – natürlich in Zusammenhang mit einer gültigen Mailadresse, welche wiederum die Adressdaten beinhaltet. Auf den Internetplattformen „MySpace“, „YouTube“ und „FaceBook“ werden Bilder und Videos der letzten Suff-, Drogen- und Gruppensexpartys einer weltweiten Öffentlichkeit präsentiert und samstags geht es dann in die Freiburger Fußgängerzone, um gegen Schäubles Überwachungsaffinitäten zu demonstrieren, obwohl die meisten dieser Demonstranten ihr ganzes Leben bereits höchstfreiwillig im Internet ausgebreitet haben – gleichsam eines roten Teppichs, auf dem die Herrschaften des Überwachungsstaates Deutschlands dann stolzieren können, ohne sich die Füße und Hände dreckig machen zu müssen.

Hey Leute, wie wäre es zur Abwechslung damit: Handys, Laptops und PCs ausschalten und stattdessen das Gehirn einschalten? Es verhält sich mit dem Gehirn nämlich wie mit einem Motor – wird er zu lange nicht bewegt, so rostet er ein und wird irreparabel.

Ist es vielleicht schon so weit? Irreparabler Volkszustand? Durchaus möglich.
Dr. Satori
Pseudolus-Satiremagazin
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„Twitter – Der größte Blödsinn aller Zeiten“
„Twitter ist tot – oder: So erstickt man am eigenen Erfolg“





