Theater

Orpheus und Eurydike am Theater Freiburg

Gemeinsames Zähneputzen als Idylle

Bei „Orpheus und Eurydike“ von Christoph Willibald Gluck geht es um große Themen wie Liebe, Tod und die Kraft der Musik. Im Gegensatz zum „Orfeo“ von Monteverdi schließt die Geschichte sogar mit einem Happy End, weil die von Orpheus‘ Gesang in der Unterwelt wiedererweckte Eurydike letztendlich bei ihm bleiben darf, obwohl der Sänger das Blickverbot der Götter missachtete. „L’Amour triomphe“, „Amor hat gesiegt“ singt Orpheus am Ende der Oper gemeinsam mit dem Chor. Und auch Eurydike freut sich über das traute Glück. Es ist eigentlich alles in Ordnung zwischen den beiden.

Am Freiburger Theater (besuchte Vorstellung: 18.6.) sieht das Regisseur Markus Bothe allerdings ganz anders. Die in einzelne, rollbare Elemente unterteilte Bühne von Robert Schweer präsentiert ausnehmend hässliche, beengte und beengende Räume, die die Musik bewusst brechen. Ein Badezimmer mit türkisfarbenen Fliesen im 50er-Jahre-Charme ist neben einem kargen Zimmer mit Ausblick auf braune Mietskasernen platziert. Hier sitzt ein Bubi mit Brille und hat seine Kamera aufgestellt, um Spannerfotos zu machen. Der Raum nebenan ist zugemüllt. Ein weiterer Statist lümmelt hier mit offener Hose vor seinem Uraltcomputer und hatte offensichtlich die schnelle Befriedigung gesucht. In der rosa Resopalküche hängt der Haussegen schief. Das Kind steht in der Ecke. Die Mutter kühlt ihre Kopfwunde mit einer leeren Butterschale. Der Vater sitzt im Unterhemd auf dem Herd. Dass hier Amor selbst (mit gläsernem Sopran und Shorts: Carina Schmieger) für die Aussöhnung sorgt, ist dann schon wieder kitschig.
Regisseur Schweer verdreht die Sehnsüchte, von denen die Oper erzählt, zu kleinen und großen Abgründen der Liebe. Er erzählt seine eigene Geschichte – und tut dies mit erbärmlichen Metaphern wie dem gemeinsamen Zähneputzen als Inbegriff der Idylle. Das einzige, was hier zueinander passt, ist das Türkis von Eurydikes Rock (Kostüme: Justina Klimczyk) und den Badezimmerkacheln.
Musikalisch ist da eine äußerst differenzierte Welt zu hören. Daniel Carter, ab nächster Saison 1. Kapellmeister am Freiburger Theater, lässt das Philharmonische Orchester Freiburg wie ein Alte-Musik-Ensemble klingen. Die Streicher spielen zwar auf modernen Instrumenten und Bögen, aber immer gut artikuliert, luftig und mit sehr sparsamem Vibrato. Auch wenn die Streicher gegen Ende der Vorstellung ihre gute Intonation verlieren und die auf ebenfalls modernen Instrumenten spielenden Holzbläser, besonders die Oboen, etwas zu dominant wirken, entsteht eine packende Interpretation und ein plastischer Orchesterklang, der gerade im Pianobereich Nuancen kennt und dem Chor und dem nur dreiköpfigen Solistenensemble ein ausgezeichnetes Fundament bietet. Kim-Lillian Strebel, Stipendiatin der Theaterfreunde, macht mit ihrem bereits über dramatisches Potential verfügenden lyrischen Sopran aus Eurydike eine durchaus vielschichtige Frau, die nur szenisch in Bothes Inszenierung auf verlorenem Posten ist. Auch Silvia Regazzo als Orpheus findet trotz der trashigen Regie eine ganz subtile musikalische Interpretation. Ihr geschmeidiger Mezzo hat genügend Tiefe, ohne dabei zu schwer und üppig zu werden. Sie phrasiert ähnlich genau wie das Orchester, so dass dieser Opernabend am Freiburger Theater zumindest musikalisch zu einer Einheit wird.

Weitere Vorstellungen: 1.7., 19.30 Uhr, 5.7., 15 Uhr, 10.7., 19.30 Uhr.

Georg Rudiger