Fünfzig Jahre Mädchenkantorei am Freiburger Münster
Bis zum Jahr 1973 oblag es den unter dem Begriff Freiburger Dommusik zusammengefassten vier Chorformationen Domsingknaben, Domchor, Choralschola und Kantorenschola, die musikalische Gestaltung der festlichen Gottesdienste (Kapitel- und Pontifikalämter) im Münster zu übernehmen. Einzig im gemischten Domchor waren damals auch Frauenstimmen zu hören. Dies änderte sich in besagtem Jahr, als der damalige Domkapellmeister Raimund Hug eine reine Mädchenkantorei als eine der ersten Dommusik-Chöre Deutschlands gründete, die auch Mädchen das geistliche Singen auf hohem Niveau ermöglichte. Hug rief darüber hinaus noch 1981 die Domkapelle als gemischten Kammerchor für Erwachsene ins Leben und zeichnete zunächst für all diese Formationen am Freiburger Münster verantwortlich.
Im Jahr 2003 übernahm Domkantorin Martina van Lengerich speziell die Leitung der Mädchenkantorei und eine erstaunliche und kontinuierliche Entwicklung sowohl qualitativ wie quantitativ setzte ein.
Im Laufe der Zeit entfaltete sich eine effiziente innere Ausbildungs- und Probenstruktur gepaart mit gemeinsamen Freizeitaktionen, die zum inneren Zusammenhalt der um die 100 jugendlichen Sängerinnen zusätzlich beitragen. Heute durchlaufen die Mädchen im Alter von 6 bis 22 Jahren je nach Ausbildungsstand verschiedene Stationen: Ab erstem Schuljahr den Vorchor, ab dem zweiten Schuljahr dann den Aufbauchor. Fortgeschrittene Sängerinnen des Aufbauchors erfahren auf der nächsten Stufe besondere Förderung im A*-Chor. Ab diesem Level finden die Proben pro Woche einmal getrennt nach den Stimmlagen Sopran und Alt sowie einmal gemeinsam statt. Dasselbe gilt auch für den Konzertchor ab 12 Jahren. Parallel zu den Chorproben absolvieren alle Sängerinnen einen einjährigen Theoriekurs und erhalten ebenfalls Einzelstimmbildung und auch Instrumentalunterricht ist möglich.
Ein solch umfangreiches Probengeschehen wirkt sich zwangsläufig stark auf das tägliche Leben der jungen Frauen aus. Sollten dabei Engpässe auftreten, finden sie in der Domsingschule Unterstützung bei der Hausaufgabenbetreuung oder beim Mittagessen.
Klar: Das künstlerische Repertoire der Mädchenkantorei besteht zum überwiegenden Teil aus geistlichen und liturgischen Gesängen und die meisten Chorauftritte stehen im Zusammenhang mit kirchlichen Anlässen. Aber: Es ist bemerkenswert, dass der Zugang zur Kantorei für die Chorsängerinnen völlig frei und ohne jeden relgiösen Zwang oder konfessionelle Bindung an die katholische Kirche möglich ist. Einzige Verpflichtung: Sie müssen bereit sein, im Gottesdienst zu singen.
Bei soviel Sorgfalt in der musikalischen Ausbildung der Domsingschule und bei soviel persönlichem Engagement der Sängerinnen stellen sich auch Erfolge im musikalischen Wettbewerb und unvergessliche Ereignisse ein. Da sind etwa zu nennen: 1. Preise beim Badischen Chorwettbewerb 2009, beim Landeschorwettbewerb 2009 und beim 8. Deutschen Chorwettbewerb 2010 in der Kategorie „Kinderchöre bis 13 Jahre“. 2014 errang der Chor „Gold“ beim 25. Internationalen Chorwettbewerb in Verona nebst den Preis für das Pflichtwerk in der Kategorie „Frauenchöre“. Der 1. Preis beim Landeschorwettbewerb 2022 „mit hervorragendem Erfolg“ sicherte dem Chor die Weiterleitung zum Deutschen Chorwettbewerb 2023 nach Hannover.
In ihrer nun bald 50-jährigen Geschichte gab die Mädchenkantorei regelmäßig Konzerte in Kathedralen und Sälen im fernen Ausland in China, Kanada, Russland und den USA. Andere Auftritte führten sie z.B. in den Petersdom nach Rom, die Leipziger Thomaskirche, die Berliner Gedächtniskirche, die Kölner, Mainzer und Essener Dome und den Hamburger Michel.
Eine weitere Konzertreise steht im August/September 2023 in die USA mit Auftritten in den Kathedralen von San Francisco, Oakland und Los Angeles an. Unvergessen auch der Auftritt beim Besuch von Papst Benedikt 2011 in Freiburg vor über 100.000 Besuchern.
Zu diesen Ereignissen gesellen sich zusätzlich Rundfunk-, Fernseh- und CD-Aufnahmen und vielfältige Zuammenarbeiten mit anderen Künstlern und Kunstensembles wie dem Philharmonischen Orchester Freiburg, dem Rascher Saxophone Quartet, der Capella della Torre, dem Ensemble Aventure oder Mitgliedern des SWR-Orchesters bis hin zu Cross-over Projekten mit anderen Kunstformen wie „Vivaldi meets Breakdance“ auf dem Münsterplatz, bei der Rezitation von Hölderlin-Gedichten oder bei Ausstellungseröffnungen. Diese Aufzählung ist keineswegs vollzählig, sie beleuchtet nur das Spektrum der Erlebniswelt der jungen Sängerinnen.
Das 50-jährige Jubiläum der Mädchenkantorei wurde am 16. Juli 2023 mit einem Pontifikalamt im Freiburger Münster mit Weihbischof Peter Birkhofer unter dem Titel „Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens“ eröffnet. Der Konzertchor der Mädchenkantorei präsentierte diesen Gesang des Franziskus von Assisi als Uraufführung von „A Prayer of St. Francis“ von Agneta Sköld aus Schweden in Anwesenheit der Komponistin. Dem Gottedienst schloß sich ein feierlicher Festakt in der Domsingschule mit Grußworten und weiteren Darbietungen des Mädchenkantorei-Ensembles an.
Bildquellen
- Die Mädchenkantorei am Freiburger Münster unter Leitung von Martina van Lengerich erzielte beim 11. Deutschen Chorwettbewerb in Hannover den 2. Preis in der Kategorie „Kinderchor bis 16 Jahre“ mit 23, 3 Punkten und „mit hervorragendem Erfolg“.: Foto: Vera Tenbohlen