Der NABU lässt durch das Verwaltungsgericht Fällungen im Langmattenwäldchen stoppen – auch das Klimacamp wählt juristische Schritte und lädt zum Protest
Im März dieses Jahres adressierte der Kultur Joker in der Kolumne „Brückenbau in Dietenbach“ (Artikel: www.kulturjoker.de/kolumne-brueckenbau-in-dietenbach) bereits das kritikwürdige Vorgehen städtischer Bauämter beim Umgang mit dem Langmattenwäldchen – insbesondere in Hinblick auf die großen nachhaltigen Ziele der Stadt, zu denen auch der Schutz der Artenvielfalt zählt.
Mitte Oktober ging beim Verwaltungsgericht Freiburg ein Eilantrag des NABU (Naturschutzbund Deutschland) ein, dem am 16. Oktober stattgegeben wurde. Kern des Antrags war der Stopp geplanter Fällungen von Teilen des Langmattenwäldchens für den Bau einer Gashochdruckleitung im Bereich des geplanten Stadtteils Dietenbach. Für jene Gashochdruckleitung soll, wenn es nach den Plänen der Stadt und der beauftragten Firma Terranet BW geht, eine 25 Meter breite und 120 Meter lange Schneise in das Langmattenwäldchen geschlagen werden – am 31. August genehmigte das Regierungspräsidium das Vorgehen und ordnete sogar einen Sofortvollzug an. Dieser wurde nun durch das Verwaltungsgericht gestoppt, sodass bis auf weiteres die Bäume im Langmattenwäldchen und somit die Heimat diverser geschützter Arten (be)stehen bleibt.
Regierungspräsidium und Verwaltungsgericht scheinen sich also uneinig zu sein, interessant ist an dieser Stelle auch ein Blick in Untersuchungen zur Artenvielfalt im Langmattenwäldchen – Auftraggeber jener Untersuchungen war übrigens die Stadt Freiburg. Demnach ist der Wald „aus naturschutzfachlicher Sicht sehr wertvoll und hat eine hohe Schutzwürdigkeit“. Die geplanten Rodungen würden mindestens 4,4 Hektar Wald zerstören – die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt wären verheerend, denn die vorgesehenen Rodungen würden aktiv den Lebensraum geschützter Arten zerstören – das ist Fakt. Umweltschutzorganisationen bemängeln das Vorgehen der Stadt seit Jahren, Vorschläge für alternative Baumaßnahmen, die das Langmattenwäldchen schützen würden, wurden allem Anschein nach bislang ignoriert. Klimaneutral zu bauen, bedeutet eben manchmal auch Kompromisse zu suchen, wo Lösungen gefunden werden müssen.
„Wir campen, bis ihr handelt“ lautet das Motto des Klimacamps, das seit Juli 2022 auf dem Freiburger Rathausplatz mit Zelten und Infoständen auf den menschengemachten Klimawandel aufmerksam macht (Reportage zum Klimacamp: www.kulturjoker.de/zelten-bis-zum-notstand). Das „handeln“ im Slogan des Klimacamps scheint nun von der Stadt Freiburg missverständlich interpretiert worden zu sein. Denn anstatt z.B. nachhaltiges und umweltfreundliches Handeln in städtebauliche Maßnahmen zu integrieren, soll das Klimacamp nun einfach abgebaut werden. Eine Klatsche für die Umweltschützer:innen, deren Camp nun am 7. November geräumt werden soll. Grund: Der Weihnachtsmarkt.
„Wir campen, bis ihr handelt: Damit haben wir versprochen, dass wir so lange vor dem Rathaus bleiben, bis sich etwas ändert an der Untätigkeit und Heuchelei der Stadt. Es hat sich nichts geändert. Der Dietenbachwald soll weiterhin für eine Gasleitung gerodet werden und die Planungen für eine Autobahn mitten durch Freiburg gehen weiter“, schreibt das Klimacamp in einer Stellungnahme. Im Schreiben wird zudem verkündet, gerichtlich gegen die Räumung und Einschränkung der Versammlungsfreiheit und des friedlichen Protests vorzugehen und das Verwaltungsgericht einzuschalten. (Stand: 26. Oktober 2023. Ergänzung: Am 2. November hat das Verwaltungsgericht der Räumung stattgegeben. Das Klimacamp lädt weiter zum Protest)
Dies ist auch unter folgendem Aspekt interessant zu betrachten: Erstmals seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland hat Amnesty International Deutschland als Land eingestuft, in dem die Versammlungsfreiheit zunehmend eingeschränkt wird. Amnesty International begründet den Entschluss mit einer deutlichen Zunahme an repressiven Gesetzen, Polizeigewalt und Versammlungsverboten in Deutschland. Versammlungsfreiheit und friedlicher Protest sind grundlegende Rechte eines demokratischen Systems.
Die Frage danach, ob und inwiefern diese Rechte wegen einer kommerziellen Weihnachtsveranstaltung eingeschränkt werden dürfen, obwohl es sich hier nur um wenige Meter handelt und nicht den gesamten Weihnachtsmarkt betrifft, sollen sich die Leser:innen dieses Artikels selbst beantworten.
Das Klimacamp lädt am 7. November zu einem friedlichen Protest gegen die Räumung ein – Unterstützer:innen sind dazu eingeladen, der Demonstration für den Erhalt des Klimacamps beizuwohnen.
Bildquellen
- Für die Maiausgabe 2023 besuchte der Kultur Joker das Klimacamp: © Elisabeth Jockers