Das Schöne kann der Anfang des Schrecklichen sein: „Eine Zukunft für die Vergangenheit. Sammlung Bührle: Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt“ im Kunsthaus Zürich
In einem kontinuierlichen Prozess befindet sich die Ausstellung „Eine Zukunft für die Vergangenheit“ im Chipperfield-Bau des Kunsthauses Zürich; sie
In einem kontinuierlichen Prozess befindet sich die Ausstellung „Eine Zukunft für die Vergangenheit“ im Chipperfield-Bau des Kunsthauses Zürich; sie zeigt nicht nur Kunst aus der Stiftung Sammlung E. G. Bührle, weltweit begehrte Werke der französischen Malerei und Avantgarde, sondern muss sich auch mit dem „NS-verfolgungsbedingten Entzug von Kunstwerken“ befassen. Nach Publizierung eines Berichts des Historikers Raphael Gross, der die Provenienzforschung der Stiftung überprüft hat, ist die Schau im November 2024 zum dritten Mal verändert worden: die Wandtexte sind überarbeitet und ein Raum, der jüdische Sammler*innen betrifft, neugestaltet. Skizziert wird der historische Kontext, in dem der Waffenproduzent und Mäzen Emil G. Bührle seine Kollektion aufgebaut hat und mit der Zürcher Kunstgesellschaft verflochten war. Dargelegt wird des Weiteren der Stand der Provenienzforschung sowie Biografien früherer Eigentümer*innen, die Opfer der NS-Verfolgung wurden. Die Homepage des Kunsthauses gibt dazu detailliert Auskunft.
Wie kann ein Umgang mit dieser Sammlung in der Gegenwart gelingen, wenn ihre Herkunft so umstritten ist? Das Kunsthaus Zürich ist – ebenso wie das kontinuierlich befragte Publikum – verständlicherweise der Meinung, dass die Werke gezeigt werden soll, denn die selbst haben das NS-Unrecht nicht verursacht, sind aber ein Hinweis darauf und können Anlass sein, der Opfer zu gedenken, ihre Schicksale zu erzählen und die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg kritisch zu hinterfragen. Nehmen wir etwa das Bild „La petite Irène“, gemalt 1880 von Auguste Renoir, so führt uns die Geschichte seiner Besitzer*innen u.a. zum NS-Rauborganisation Reichsleiter Rosenberg (ERR) 1940 in Paris sowie zudem nach Auschwitz.

Die Ausstellung beginnt in der Vergangenheit und endet mit Fragen und Statements, die auch mittels Audio- und Videobeiträgen präsentiert werden. Zuletzt hat die Stiftung E. G. Bührle das Kunsthaus informiert, dass sie für sechs Werke der Sammlung „faire und gerechte Lösungen“ mit den Rechtsnachfolgern der früheren Eigentümer suche. Auslöser sind neue „Best Practices“ zum Umgang mit NS-Raubkunst, die das US State Department Anfang 2024 veröffentlicht hat; sie erweitern die „Prinzipien“, die 1998 bei der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust“ beschlossenen wurden. Einige Exponate sind deshalb aus dem Kunsthaus entfernt worden, Werke von Gustave Courbet, Henri de Toulouse-Lautrec, Monet, van Gogh und Gauguin. Mit der „Causa Bührle“ geht es um Geschäfte, die lange unverdächtig waren. Doch die Erkenntnis, dass Sammler, Museen und kulturgutbewahrende Institutionen von der Beraubung verfolgter jüdischer Bürger und „entarteter“ Künstler profitiert haben, setzt sich kontinuierlich durch. Erich Keller, Autor des Buches „Das kontaminierte Museum“, fordert in diesem Zusammenhang eine Neuordnung der Besitzverhältnisse; um Aufarbeitung zu gewährleisten, müssten problematische Kollektionen einer demokratisch kontrollierten öffentlichen Hand gehören. Das weitere Tauziehen zwischen Stadt Zürich, Kanton und Bührle-Stiftung dürfte spannend bleiben. Denn das Schöne kann bekanntlich der Anfang des Schrecklichen sein, ist aber unbedingt sehenswert.
„Eine Zukunft für die Vergangenheit. Sammlung Bührle: Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt“. Kunsthaus Zürich. Chipperfield-Bau. CH – Zürich. www.kunsthaus.ch. Bis 28.09.25





