Segen und Fluch des Südens: Die Biennale für Freiburg 3 befasst sich mit dem Tourismus und den ambivalenten Bildern, die er entwirft
Wäre „Happy Place“ ein Produkt, hätte die Marketingabteilung beim Claim wohl versagt: zu wenig subtil, zu ungebrochen. Glücklicher Ort
Wäre „Happy Place“ ein Produkt, hätte die Marketingabteilung beim Claim wohl versagt: zu wenig subtil, zu ungebrochen. Glücklicher Ort klingt nach Sendebewusstsein und wer definiert diesen überhaupt? Doch natürlich ist „happy Place“ durchaus ein Produkt, es ist der Titel der dritten Biennale für Freiburg und er will ja eben Reibung bieten. Die spanische, in Berlin lebende Kuratorin Lorena Juan hat sich das touristische Selbstverständnis von Freiburg zunutze gemacht und auch gleich die – ansonsten nicht eben kulturaffine – FWTM als Hauptsponsor gewonnen. „Happy Place“ klingt wie von außen auf die Stadt gesehen, die so weit im Süden liegt, dass sie einfach glücklich sein muss. Andererseits stellt das Thema des Tourismus radikal die Frage nach der Deutungsmacht und der Legitimation. Denn ist es nicht unser Leben, das hier mehr oder weniger wohlfeil als Staffage wirtschaftlicher Interessen dient? Wer profitiert davon und wollen wir wirklich so leben? Ironie am Rande ist, dass die Eröffnung der Biennale 3 und die auf mehrere Orte verteilten Ausstellungen mehr Aufmerksamkeit bekommen hätte, wenn kurz vor Pfingsten nicht viele Freiburgerinnen und Freiburger an Orte gereist wären, die sie selbst für touristisch halten.
Machst Du noch Urlaub oder wohnst Du schon, könnte man mit Karla Zipfel fragen. Die gebürtige Freiburgerin hat ein paar Wochen lang die Wohnungsanzeigen von Familien beobachtet. Die Kinderzeichnungen, mit denen diese auf dem angespannten Wohnungsmarkt auf sich aufmerksam machen, stellen das Glück der Kleinfamilie dar. Im Kulturaggregat wird deutlich, dass es Erwachsene sind, die hier ihren Kindern den Stift geführt haben und denen zumindest eine Wohnung (am besten gleich ein Haus) zum Glück fehlt. Nicht wenige dürften unter der Verknappung bezahlbaren Wohnraumes und der damit einhergehenden sozialen Auslese leiden. Im Kunstverein Freiburg thematisiert Paloma Contreras Lomas mit ihrer Videoinstallation „Tan lejos de Dios y tan cerca de Estados Unidos“ in völlig überdrehter Ästhetik Gentrifizierung am Bespiel von Mexiko-Stadt, insbesondere welche Rolle die Mittelklasse und die Kunstszene dabei spielen.
„Underlying Spirits“ hat Eve Tagny im Delphi_Space eine Bühne bereitet. Unter einer niedrigen, begehbaren Holzkonstruktion schaut Erde hervor, die ausgelegten Postkarten geben den Geistern unserer Gesellschaft Sichtbarkeit. Tagny, die aus Kamerun stammt und mittlerweile in Montreal lebt, befasst sich in ihren Fotografien mit dem Kolonialismus. Der Blick wirkt poetisch, wenn sich mehrere Belichtungen auf ihren Aufnahmen überlagern oder sie hinter einem blühenden Busch rote Trittstufen erkennt, die zu einem Gewässer führen. Doch die Texte auf der Rückseite sind eindringlich, sie machen auf die Völkerschauen aufmerksam, die oft in Zoos stattfanden oder darauf woher der Reichtum der Besitzer eines englischen Landhauses kam. Die Umsätze aus dem atlantischen Dreieckshandel ermöglichten den Aufbau einer Kunst- und Kunsthandwerkssammlung, Benin-Bronzen stehen ganz selbstverständlich vor Gemälden. Ein glücklicher Ort muss nicht immer ein moralisch vertretbarer sein. Cosima zu Knyphausen hingegen hat das Pförtnerhaus in ein idyllisches Gartenhaus verwandelt. Auf eine Tapete, deren Zeichnungen aussehen als hätte ein queerer Wilhelm Busch den Stift geführt, sind Bilder voller Rückzugsfantasien gehängt.
Die zentrale Ausstellung findet wie die Jahre zuvor im Kunstverein Freiburg statt. Lorena Juan kennt sich aus mit dem Süden, denn von Deutschland gesehen, liegt Nordspanien, wo sie aufgewachsen ist, immer noch sehr südlich. Für Freiburg, insbesondere die Ausstellung im Kunstverein Freiburg hat sie ausgesprochen viele Spanisch sprechende Künstlerinnen um sich geschart. Agnes Essonti Luques Arbeit „A Journey“ scheint auf Tagnys Installation zu antworten. Die spanisch-kamerunische Künstlerin hat eine Ahnenfigur aus der Sammlung eines Museums in Barcelona nachbilden lassen und mit Fotos eine mögliche Rückkehr der Plastik zu ihrem eigentlichen Ort dokumentiert. Man sieht die Ahnenfigur zwischen Bananenblättern, vor einer Wand mit einem Graffiti. Während Claudia Pagès Rabal in einem Video ihren Tauchgang in einem Aljibe filmt. Während der maurischen Zeit in Spanien wurde dort Regenwasser gesammelt, bereits die Römer nutzen die Anlage als Zisterne. Später wurde es ein Kloster, mittlerweile wird es als Hotel genutzt. Neben mehreren in die Wände eingeritzten Phalli, buchstabiert sie vor der Kamera Verträge, die hier festgehalten wurden. Die Geschichte jedenfalls ist heute von atmosphärischem Wert und Verkaufsargument für ein Boutique-Hotel. So bleibt die Frage, wer entscheidet, was touristisch verwertet wird und wer legt das Profil fest. „Happy Place“ kapert diese Strategien und zeigt auf, dass wir alle daran beteiligt sind. Damit eine Diskussion darüber entstehen könnte, braucht es einen öffentlichen Diskurs.
Verschiedene Orte, Freiburg. www.biennalefuerfreiburg.de. Bis 27.07.25.





