Kunst

Dem Sehen misstrauen: Daniel Spoerri zeigt sein Werk in der Sammlung Falckenberg in Hamburg

Geldscheine liegen in einem Glaskasten, auf dessen Rand ein paar Münzen gestapelt sind. Aus der Scheibe ragt ein Wasserhahn

Dem Sehen misstrauen: Daniel Spoerri zeigt sein Werk in der Sammlung Falckenberg in Hamburg

Geldscheine liegen in einem Glaskasten, auf dessen Rand ein paar Münzen gestapelt sind. Aus der Scheibe ragt ein Wasserhahn heraus. „Etwas auf die hohe Kante legen und immer flüssig sein“ heißt dieses Werk von Daniel Spoerri. Diese sogenannte Wortfalle spricht nicht nur für sich, sondern zeugt vom subtilen Humor des Schweizers, geboren 1930 in Rumänien. Zu sehen ist es bis zum 26. April 2026 in der Ausstellung „Ich liebe Widersprüche“ in der Sammlung Falckenberg in Hamburg-Harburg. Dort treten Spoerris Arbeiten in einen direkten Dialog zu Counter-Culture-Positionen von Jonathan Meese bis zu Ray Johnson aus der Sammlung Falckenberg.
Kaum verwunderlich ist, dass den Besucher:innen in dieser Schau Dieter Roths „Vitrine mit verschimmeltem Käse“ oder „Ohne Titel (Brot)“ begegnen. Sie korrespondieren mit Spoerries Brotteigobjekten – von „Violine“ bis zu „Bügeleisen“. Diese Gegenstände hat der 2024 verstorbene Künstler mit Brotteig befüllt, der dann im Ofen ausgelaufen ist. In andere Brotteigobjekte ließ er Abfälle oder Glasscherben einbacken – als Konsumkritik, weil Brot teilweise wie Müll weggeworfen wird.
Wie Spoerri, der 1960 in Paris mit Yves Klein und anderen das Nouveaux-Réalistes-Manifest unterzeichnet hatte, war Roth ein Vertreter der Eat Art. Diese Strömung, begründet von Spoerri, beschäftigt sich mit der Aufnahme von Nahrung und deren Ausscheidung sowie mit Koch- und Essritualen. Dabei rücken Genuss und Ekel eng zusammen. Etwa in Spoerris Restaurant, das er 1968 in Düsseldorf eröffnete. Dort wurden auch mal Hammelhoden serviert. Mit seinen Rezepten nahm der Künstler den „Nose to Tail“-Trend voraus, bei dem es darum geht, in der Küche ein Tier restlos zu verwerten.
Spoerris Kochbücher finden sich nun in der Ausstellung. Genau wie seine Fallenbilder, mit denen er eine eigene Kunstgattung schuf. Er fixierte die Reste einer Mahlzeit auf ihrer Unterlage. Auf diese Weise fügen sich Zigarettenschachteln, Brotkrümmel oder schmutziges Geschirr zu einer Momentaufnahme zusammen. „Spoerri wollte das Leben so festhalten, wie es ist“, sagt Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen Hamburg. Spoerri selbst, der ursprünglich Tänzer war, bezeichnete sich als „Handlanger des Zufalls“.
Ohne Zweifel war er ein rastloser Mensch, der in verschiedenen Ländern gelebt hat. Auch künstlerisch trat er nicht auf der Stelle. In der Toskana begann er, seine teils großformatigen Assemblagen in Bronze zu gießen. Sie stehen in seinem Skulpturenpark, im Giardino. In Hamburg treffen die Objekte „Krabbenmonster“ und „Marstaucher“ aus der Serie „Prillwitzer Idole“ unter anderem auf Jonathan Meeses „Der Propagandist“.
Im buchstäblichen Sinne ins Auge sticht „Ca crève les yeux que c‘est Rose Sélavy“. Man sieht ein rosa Gesicht, eine rostige Schere steckt in beiden Augen. Eine Metapher dafür, dass Spoerri ganz offensichtlich dem Sehen misstraut hat.

Daniel Spoerri: Ich liebe Widersprüche. Sammlung Falckenberg Hamburg. Bis 26.04.26

Bild: Blick in die Ausstellung in der Sammlung Falckenberg © Deichtorhallen Hamburg, Fotos: Henning Rogge

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Dagmar Leischow