Kunst

Physisch spürbare Malerei: In den Hamburger Deichtorhallen zeigt Katharina Grosse ihre Ausstellung „Wunderbild“

Katharina Grosses „Wunderbild“ in den Deichtorhallen Hamburg macht einen tatsächlich staunen. Dieses imposante Werk, ursprünglich 2018 konzipiert für den

Physisch spürbare Malerei: In den Hamburger Deichtorhallen zeigt Katharina Grosse ihre Ausstellung „Wunderbild“

Katharina Grosses „Wunderbild“ in den Deichtorhallen Hamburg macht einen tatsächlich staunen. Dieses imposante Werk, ursprünglich 2018 konzipiert für den Messepalast der Nationalgalerie in Prag, ist über 60 Meter lang und 20 Meter hoch. Wenn man es durchschreitet, ist man von 26 Stoffbahnen umgeben. Ob Rot, Pink, Orange, Gelb oder Türkis: Die knalligen Farben stechen sofort ins Auge, es gibt allerdings auch ein paar weiße Flächen. Mit ihnen wollte die Künstlerin den Entstehungsprozess visualisieren.
Das schürt die eigene Imaginationskraft. „Lianenhaft fallen die Stoffbahnen von der Decke“, sagt der Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow. Für ihn hat das etwas Sinnliches, was jedoch von Stefan Schneiders eigens für diese Schau entwickelter Soundkomposition gut alle 30 Minuten kurz aufgebrochen wird. „Ich hatte die Idee, eine Art Zäsur zu schaffen, die einen zwischendurch hochschrecken lässt“, erklärt Katharina Grosse. Sie wollte ein Klangbild haben, als ob „schweres Geschoss in der Halle landet“.
Abgesehen davon reißt einen der Farbenrausch mit, den die gebürtige Freiburgerin inszeniert hat. Man kann ihr größtes tragbares Bild immer wieder aus einer neuen Perspektive wahrnehmen, sogar von außen lässt es sich mühelos umrunden. Egal, wo die Besucher:innen gerade stehen, sie registrieren stets: Katharina Grosse macht Malerei physisch spürbar. Wie das überhaupt möglich ist, zeigt ein Dokumentarfilm von Claudia Müller. Sie durfte die 63-Jährige begleiten, als sie in ihrem Atelier in der Nähe von Berlin gearbeitet hat. Mit ihrer Sprühpistole trägt sie schwungvoll ihre Farben auf, gekleidet ist sie in einen Schutzanzug. Was dabei entsteht, erinnert ein wenig an Action Painting à la Jackson Pollock.
Im hinteren Teil der Halle befindet sich ein weiteres Werk, das Katharina Grosse in Hamburg neu erschaffen hat: eine bunte Hügellandschaft, mitten hindurch zieht sich ein Weg. Nicht nur die kleinen Erdhügel wurden mit Farbe bespritzt, sondern der gesamte Boden. An den Wänden hängen mehrere Bilder, entstanden sind sie von 2005 bis heute. Dieser Raum sei kompliziert, findet Katharina Grosse: „Man braucht ein bisschen Zeit, um ihn sich anzuschauen.“
Einfacher ist es, sich mit den Skizzen und Zeichnungen in den Vitrinen zu beschäftigen. Ein Selbstporträt von 1985 belegt, dass die Tochter der Künstlerin Barbara Grosse, die sowohl in Münster als auch in Düsseldorf studiert hat, zunächst die Wirklichkeit exakt abbilden wollte. 1998 sprayte Katharina Grosse in der Kunsthalle Bern ihre erste räumliche Intervention – die sogenannte „grüne Ecke“. Zur Sprühpistole, heute quasi ihr Markenzeichen, ist sie zufällig gekommen, nachdem eine Freundin in Marseille sie dieses Gerät hatte ausprobieren lassen. Danach ließ sie der Anblick der über der Fläche verteilten Sprühpunkte irgendwie nicht mehr los. Mit der Zeit wurden ihre Arbeiten immer größer, sie wuchsen in die Ausstellungsräume hinein. Auf jeden Fall bringt sie mit ihren Werken die Betrachter:innen zum Nachdenken.

Katharina Grosse. Wunderbild. Deichtorhallen Hamburg. Bis 14.09.25

Bildnachweis: Katharina Grosse: „Wunderbild“, 2018 (Detail), Acryl auf Stoff © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Jens Ziehe

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Dagmar Leischow

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