Kunst

Wir spiegeln uns im schönen Schein

Die Fondation Beyeler zelebriert das Werk von Jeff Koons

Es braucht anscheinend Rechtfertigungen. Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler, wählte bei der Pressekonferenz zur großen Jeff Koons-Ausstellung den Angriff als Strategie und zählte all das auf, was man dem amerikanischen Künstler nur vorwerfen kann: die Nähe zum Kitsch, zum Populären und zum Kommerz. Nur, Vorwürfe werden nicht entkräftet, indem man sie benennt.

Koons selbst jedoch ist niemand, der sich mit größeren Selbstzweifeln plagen würde. Und der Erfolg gibt ihm Recht. 2012 ist er im deutschsprachigen Raum ausgesprochen präsent. Nicht nur richtet ihm die Fondation Beyeler eine Retrospektive aus, auch die Frankfurter Schirn zeigt prominent seine Werke.Man kann ihm kaum entkommen. Das wird dem 1955 geborenen Jeff Koons gefallen, schließlich möchte er Arbeiten schaffen, die, so sagte er auf der Pressekonferenz, den Betrachter umarmen. Glaubt man dem amerikanischen Künstler, passt überhaupt wenig zwischen Betrachter und Werk. Denn, so Koons, alles an uns ist perfekt. Werk und Betrachter spiegeln sich endlos im schönen Schein.

Die Fondation Beyeler stellt Koons‘ Oeuvre in drei Gruppen vor. Der Rundgang beginnt mit der Serie „The New“ und setzt sich über die Werkgruppe „Banality“ von Ende der 1980er Jahre bis hin zu „Celebrations“ fort, ein Werkensemble, in dem sich Skulptur und Malerei gegenseitig flankieren und das Attribute eines Kindergeburtstages wie Torten, Verkleidungen und Spielzeug zum Thema hat. Dabei ist es wohl kein schlechter Zug, diese Retrospektive mit der frühen Serie „The Hoover Convertible“ beginnen zu lassen. Es sind fabrikneue Staubsauger, die Koons in Plexiglasvitrinen mit Neonlicht präsentiert. Industriegüter, die nie ihrem Zweck zugeführt wurden und entfernt an das Duchampsche Readymade erinnern. Die Moderne ist bei Koons ganz cleane Waren-Affirmation.

Ein Rundgang durch die Ausstellung zeigt, wie Koons’ kommunizierende Oberflächen funktionieren.
Da sind einerseits seine hoch artifiziellen Ballon-Skulpturen, die das eigene Abbild reflektieren.
Da sind andererseits die Skulpturen der Werkgruppe Banality – vergrößerte Versionen von Porzellanfiguren oder Spielzeug, manchmal auch eigene Kreationen – die das Kindchenschema reproduzieren. Ein fröhliches Bärchenpaar, das dem Betrachter lustig zuwinkt, schaut uns an: pausbäckig, in Fantasietrachten gekleidet, die gemeinsam ein Herz halten. Wer wollte ihnen schon etwas verübeln? Oder die Skulpturengruppe „Ushering in Banality“, die einen Jungen zeigt, der sich mit einem Schwein abmüht, das ihn an Lebensgröße um einiges übertrifft, und dem zwei Engel in langen Gewändern und mit Flügeln zur Seite stehen. Wäre da nicht die zeitgenössische Kleidung des Jungen, es wäre eine Figur wie von Maria Innocentia Hummel erfunden. Oder die Spielzeugbären mit den menschlichen Gesichtszügen, die Koons tolpatschig sitzend auf einen barocken Sockel platziert hat.

Koons vervielfältigt die kindlichen Gesichtszüge und großen Augen, mit denen auch die wirklichen Spielfiguren ausgestattet sind und so ihre Käufer finden und überträgt sie in den Kunstkontext.
Dabei verändert er Größe und Material. Viele dieser billig produzierten Puppen und Figuren finden aufwändig hergestellte Duplikate, die in Zusammenarbeit mit Handwerksbetrieben und Werkstätten entstehen. „Ushering in Banality“ etwa wurde – wie eine traditionelle Holz-skulptur – geschnitzt und dann farbig gefasst. Andere wie „Serpents“, zwei Schlangen mit Fliege, sind in Porzellan hergestellt und sehen auf den ersten Blick aus wie Plastik.

Koons‘ Kunst ist eine der Oberflächen. Mehr als die Künstler der Pop-Art setzt er auf das Finish seiner Arbeiten. Kein Kratzer zerstört die Illusion seiner farbglasierten Chromstahl-Skulpturen, die Leichtigkeit nur vortäuschen. Die Oberfläche scheint gegen jeden Schmutz, gegen Zweifel an der eigenen Perfektion imprägniert. Es ist nicht allein der Genuss an der Oberfläche, die Koons‘ Werken etwas Barockes verleiht, es ist auch die ausgestellte Freude an der Beherrschung der Materie.
Das hat seine Faszination, aber noch schneller seine Grenzen. Denn wer möchte schon 365 Tage Kindergeburtstag haben?
Jeff Koons. Fondation Beyeler, Baselstr 101, Basel-Riehen. Öffnungszeiten: 10 bis 18 Uhr, mi 10-20 Uhr.
Bis 2. September.
Annette Hoffmann