Kunst

Winkel zu Kurve, Linie zu Fläche

„Bernd Wehner – Objekte“ in den Räumen der Firma Beschläge Koch

Jeder Mensch ist ein Betrachter. So unterschiedlich die Erwartungen an Kunst auch immer sein mögen, vor dem Kunstwerk sind doch alle gleich: Galeristen und Sammler, Theoretiker und Künstler – oder die Beschäftigten eines Unternehmens, namentlich der Firma Beschläge Koch, deren Arbeitsalltag durch zwei Ausstellungen im Jahr bereichert wird.

Derzeit sind dort neben wenigen Skizzenblättern eine Auswahl neuer und älterer Objekte von Bernd Wehner zu sehen, die im Grunde zwei völlig gegensätzliche Werkgruppen vorstellen: Auf der einen Seite seine neuesten Arbeiten, Objekte aus Karton, die freistehend oder als Wandreliefs selbstbewusst gegen die heutige Hochglanzgesellschaft aufbegehren. Auf der anderen Seite die mit dünnen Bleifolien überzogenen, im Kern aber ebenfalls aus Karton bestehenden Stelen und Köpfe, die dem heutigen Trend der Camouflage nur scheinbar entsprechen, ihn freilich aber konterkarieren.

Schon vor Jahren hatte der Freiburger Künstler zu diesem schlichten Material gefunden, das gleichwohl als erstes ins Auge sticht. Durch ihre rohe Struktur, Gewöhnlichkeit und fehlende Extravaganz zählt die Pappe als Werkstoff für Künstler nicht gerade zur allerersten Wahl. Umso vielfältiger sind ihre Möglichkeiten, zumal sie im Verhältnis zur Fläche sehr wenig Gewicht hat und dadurch (im Gegensatz zu Stein, Holz, Metall oder Beton) ganz neue statische Voraussetzungen schafft.

Bernd Wehner reizten sie zu wahren Formengewittern, deren Einzelelemente aus exakt zugeschnittenem Karton sich – Winkel zu Kurve, Linie zu Fläche – dynamisch in den Raum entladen, ohne je die Gesetze der Statik zu durchbrechen. Zwar weiß der Betrachter angesichts des Kartons um seine Zerbrechlichkeit und Leichtigkeit. Dennoch suggerieren diese übermannshohen Skulpturen eine gewisse Schwere und bringen so unsere Wahrnehmungsmuster ins Wanken. Auch würde sich der Karton als perfekter Farbträger eignen, bleibt in Wehners Arbeiten aber ungeschönt, ja, ungeschminkt, und weist im Gegenteil überall Gebrauchsspuren auf.

Anders – wie gesagt – in seinen älteren Arbeiten, den Stelen oder Köpfen, deren dünne Bleibeschichtung eine metallen-schwere Aura erzeugt. Ausnahmslos besitzen diese eine geschlossene Form mit gewissen Anleihen an die menschliche Anatomie – wenn auch wenig subjektiver, sondern eher symbolischer Art – und entfalten dadurch ihren archaisch-mythischen Bildcharakter.

Wehners Wahl der einfachen Materialien enthält zweifellos ein künstlerisches Statement, nämlich die Absage zwar an den künstlerischen Mythos, nicht aber an die Kunst. Pathos und Erhabenheit liegen ihm fern, sämtliche seiner Objekte entbehren jeglichen ideologischen oder sentimentalen Ausdruckswillen. Hier geht der schöpferische Akt nicht von der Idee aus, sondern vom direkten Experiment mit dem realen Raum. Inszeniert wird allein der Werkprozess an sich. So gesehen passen diese Arbeiten wunderbar zu ihrem Ausstellungsrahmen und schaffen dort eine neue Einheit von Kunst und Leben – für Künstler, Betrachter oder Mitarbeiter.

Noch bis 23. September, geöffnet Montag bis Freitag, 8 – 16 Uhr.
Firma Beschläge Koch
Hanferstraße 26
Freiburg-Hochdorf

Friederike Zimmermann