TanzTheater

Wenn der Teppich abhebt: Im Freiburger E-Werk hatte das Tanzstück „Birdsland“ der Cie. Nadine Gerspacher Premiere

Im Vergleich zu Vögeln sind die Menschen Couchpotatos. In „Birdsland“, der Choreografie der Cia. Nadine Gerspacher, die Ende Januar im Saal des Freiburger E-Werks Premiere hatte, steht eine Sesselecke unter einer Neonröhre. Nicht grundlos, denn Nadine Gerspacher und Jonathan Sánchez, die zusammen auch verantwortlich für die Choreografie zeichnen, erproben in diesem Stück erst einmal die Schwerkraft. Auf dem Beistelltisch Blumen, ein Teppich, auf dem die Tänzerin und der Tänzer einen Vierfüßler geben. Dann sitzen sie wieder, Theaternebel kommt auf, ihr Blick folgt einer Richtung. Wenig später liegen sie aufeinander auf dem Boden, das Licht flackert und eine Stimme vom Band ist zu hören. Es klingt als ob sie auf einem Flughafen Informationen übermittelt. Vielleicht ist es aber auch nur die lärmige Welt, die nicht schweigen will.
Dass die beiden trotz aller Schwerkraft ihre Ambitionen haben, zeigt bereits das Kostüm. Gerspacher und Sanchez tragen schlichte Stoffhosen, Hemden und Pullunder, die im Detail das Blau des Himmels aufgreifen. Man ahnt es also, Flugzeuge mögen den Menschen zwar den Himmel näher gebracht haben, doch die eigentlichen Vögel unter den Menschen sind Tänzer. Weil sie mitunter der Schwerkraft trotzen. „Hope is the thing with feathers“ zitiert der Programmzettel die amerikanische Dichterin Emily Dickinson. In „Birdsland“ gilt die Hoffnung der Möglichkeit, einmal die bestehenden Verhältnisse hinter sich zu lassen. Mitunter gehen Wellen durch Gerspacher und Sánchez, sie formen ihre Hände zu Flügeln oder lassen ihre Arme flattern. Immer wieder zeigt das Duo Hebefiguren und Drehungen, vor allem eine große unaufgeregte Nähe.
Die Cia. Nadine Gerspacher hat sich in Freiburg einen Namen gemacht mit Tanztheater, das die große Zeit des Entertainments zitiert und Geschichten über unsere Gegenwart erzählt, die sich über das Visuelle erschließen. In „Birdsland“ binden Gerspacher und Sánchez Elemente des Swings ein, die der Schwerkraft eine leichtfüßige Nonchalance geben. Gebrochen wird dies durch einen trockenen Humor, denn irgendwann tragen Gerspacher und Sánchez die großen farbenprächtigen Köpfe eines Pfaus und eines Eisvogels (Fernando Romeo und Daniel Illig) als sei es das selbstverständlichste von der Welt. So wie eben aus einer Decke, in die man sich hüllt, nicht minder selbstverständlich Feder rieseln als ob der Traum seine Schwingen ausbreiten würde. Überhaupt entführt das Duo oft in eine Traumwelt, die das Paar der Wirklichkeit entrückt. Steffen Melch setzt es in ein Licht, das in Strahlenbändern zu den Rändern fließt und dann ist da natürlich noch die absonderliche Präsenz von Eisvogel und Pfau.

Bildquellen

  • Nadine Gerspacher und Jonathan Sánchez entführen das Publikum in eine Traumwelt: © Aurélie Veyrat