Von Sahar F. Kratz
Manche Dinge muss man im Leben einfach selbst probiert haben, um sie glauben und vorhandene Vorurteile abbauen zu können. „Wein aus dem Beton-Ei“ war für mich als alten Weinkenner nicht nur Neuland sondern beinahe unvorstellbar. Im ebenso innovativen wie traditionellen Bio-Weingut Schneider-Pfefferle (Ecovin) aber hat man diesen Schritt gewagt, nachdem 60 Winzer weltweit und davon 15 aus Deutschland das Betonei als Alternative zu traditionellen Weinbehältern eingesetzt haben.
Als kleine Hilfe und Brücke dazu – in Amphoren wird Wein bereits seit Jahrtausenden produziert und aufgehoben. Skeptisch also probierte ich zwei Grauburgunder Jahrgang 2015, beide angepflanzt und geerntet von der gleichen Parzelle. Sie schmeckten völlig verschieden, der „Konventionelle“ war gut, doch der aus dem Betonei mundete trotz seiner „unverschämten“ 13,8 Prozent Alkoholvolumen leicht, filigran und edel. Dazu Berthold Willi, Wein-Visionär aus Heitersheim, der u.a. 2007 die erste Markgräfler Weinmachergruppe, inzwischen weithin bekannt als die „Weingräfler“, gründete, und nun Initiator der Betonei-Idee: „Wein und Beton sind beides veredelte Produkte aus der Natur. Zusammen mit einem Behältnis in Eiform entsteht eine wunderbare Symbiose“.
Das Betonei ist eine ergänzende, spezielle Alternative zum Ausbau des Weines im Holzfass, Barrique oder Edelstahltank. Es ist im derzeitigen Gebrauch etwa 190 Zentimeter hoch, wiegt 1,8 Tonnen bei einem Inhalt von 850 Litern. Es eignet sich mit seinen neutralen Eigenschaften sowohl für Weißwein als auch für Rotwein. Die Anschaffungskosten liegen ab Werk bei etwa 4.000 Euro, dafür ist die Nutzung „zeitlich nicht begrenzt“. Berthold Willi möchte uns die Bedeutung der Aufbereitung des Weines im Betonei mit dem „Goldenen Schnitt“ erklären: „Vereinfacht ausgedrückt gibt es in einem Ei keine Ecken und Kanten. Das Verhältnis des „Goldenen Schnitts“ ist nicht nur in Mathematik, Kunst oder Architektur von Bedeutung, es findet sich auch in der Natur. Beispielsweise bei der Anordnung von Blättern und Blütenständen. Ein optimales Beispiel ist die Sonnenblume. Bei der Vergärung des Weines reifen Moleküle heran, hängen sich dann zu Polymerketten zusammen, beginnen abzusinken und steigen in der Ei-Mitte wieder auf, vergleichbar mit dem Golfstromprinzip. Nicht mehr aktive Hefezellen lagern sich an der Wand ab und gleiten durch ihre Schwere langsam zu Boden. Dort bildet sich ein relativ stabiler Grobhefesatz, der nicht mehr aufgewirbelt wird und somit eine natürliche Klärung des Weines zur Folge hat“.
Welchen Einfluss hat nun der Beton auf den Wein? Durch die Vielzahl feiner Luftporen im Beton gelangt Sauerstoff in Miniaturdosen in den Wein. Es entsteht eine natürliche Mikrooxidation, die das Wachsen der Hefen bei Gärbeginn fördert. Atmosphärische Wellen und Schwingungen werden absorbiert. Die 12 Zentimeter dicke Wandung reagiert verzögert auf Temperaturschwankungen, was ebenfalls zu einer fruchtbetonten Reifung und Stabilisierung des Weines beiträgt.