Kunst

„Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von 1945 aus Deutschland rückgeführter Raubkunst“ – Ausstellung im Palais Rohan / Galerie Heitz in Strasbourg

Die Nazis haben sich in ganz Europa als Kunsträuber betätigt, was bis heute Folgen hat; darauf weisen derzeit Ausstellungen in Basel und Bern sowie in Straßburg die dokumentarische Schau „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von 1945 aus Deutschland rückgeführter Raubkunst“. Mit der „Londoner Erklärung“ setzten sich die Alliierten bereits im Januar 1943 zum Ziel, entzogene Kulturgüter nach dem Sieg über Hitlerdeutschland an die rechtmäßigen Eigentümer zurück zu geben, weshalb eine Sonderabteilung der US-Army versteckte Depots für Raubkunst ausfindig machte. Nach dem Krieg sind in Deutschland 61.000 Kunstwerke und Kunstgegenstände von den Alliierten geborgen und nach Frankreich rückgeführt worden, die meist aus jüdischem Besitz stammten. Über 45.000 Werke konnten an frühere Eigentümer restituiert werden, doch nicht alle wurden zurückgefordert; 2.200 übriggebliebene wurden den französischen Musées nationaux zur Aufbewahrung übertragen, später kamen sie teils in regionale Museen. Nach wie vor sind sie provisorisch inventarisiert und mit dem Akronym MNR (Musées Nationaux Récupération / Rückgeführte Kunst in den staatlichen Museen) gekennzeichnet; 27 dieser Werke, Gemälde und Kunstobjekte, befinden sich in Straßburg und werden nun erstmals zusammen gezeigt. Hier, wie in allen Museen, die MRN-Raubkunst aufbewahren, besteht die Auflage, die Suche nach den Eigentümern zu befördern, weshalb in Straßburg Universität und städtische Museen kooperieren, um deren Provenienz zu ermitteln.

Alfred Sisley: „Hügel der Celle“, Blick von Saint-Mammès, 1884 © Musées de Strasbourg

Unter den nun in Straßburg ausgestellten Werken sind drei Gemälde aus dem „Sammlungs-Besitz“ Hermann Görings, der über zwanzig Mal nach Paris reiste, um diesen zu bestücken, darunter ein weiblicher Akt nach Tizian aus dem 16. Jahrhundert. Bereits ab Juli 1940 kam es mittels deutscher Botschafter in Paris, durch Otto Abetz und Karl Epting, zu Plünderungen in Kunsthäusern sowie zu Zwangsverkäufen von Sammlern, die als Verfolgte das Land verlassen wollten. Gemäß einer Anordnung Hitlers agierte ab Juli der Einsatzstab Rosenberg (ERR), der beschlagnahmtes jüdisches und « freimaurerisches » Kulturgut in „Sicherungsverwahrung“ nahm. Die erbeuteten Werke wurden im Louvre zusammengeführt und anschließend im Musée du Jeu de Paume inventarisiert. Hier durften sich Museen und Sammler freimütig bedienen.
Im Zuge der „Pflicht zur Erinnerungsarbeit“ werden die in Straßburg provisorisch verwahrten Werke (mit besonderem Rechtsstatus, auch online über eine Datenbank zugänglich) zum ersten Mal präsentiert, nachdem jeder Einzelfall auf alle vorhandenen Informationen überprüft wurde, die sich oft auf der Rückseite der Werke befinden. Ein Landschaftsbild des Impressionisten Alfred Sisley ist in diesem Kontext eher die Ausnahme, denn die Nazis waren insbesondere auf die Renaissance oder alte niederländische Malerei erpicht. So erlebte auch der Kunsthandel in Paris und Nizza während der deutschen Besatzung einen massiven Wandel, da die bislang begehrte Moderne den Nazis als „entartet“ galt. In der Straßburger Ausstellung wird auch die Kunsthistorikerin Rose Valland gewürdigt, die im Pariser Musée du Jeu de Paume heimlich Buch über die Geschehnisse führte; das war für sie riskant, womit sie jedoch für die spätere Restitution gestohlener Werke einen wichtigen Beitrag leisten konnte. Ergänzend zur Ausstellung ist ein Rahmenprogramm geboten, darunter ein Symposion, organisiert von den Kuratoren Thibault de Ravel d’Esclapon (Jurist und Dozent an der Universität Straßburg) und Dominique Jacquot (Leiter des Museums für bildende Kunst). Im Übrigen widmet sich George Clooneys 2014 entstandener Spielfilm „Monuments Men“ der diesbezüglichen Entdeckungsarbeit von US-Kunstschutzoffizieren.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von 1945 aus Deutschland rückgeführter Raubkunst. Galerie Heitz, Palais Rohan, 2, place du Château, Straßburg. www.musees.strasbourg.eu. Bis 15.05.2023

Bildquellen

  • Alfred Sisley: „Hügel der Celle“, Blick von Saint-Mammès, 1884: © Musées de Strasbourg
  • Anonym, Schule v. Fontainebleau, 16. Jh. Liegende Venus (nach Tizian).: © Musées de Strasbourg