Verdis Oper „Macbeth“ am Theater Basel
„Zerbrochene Fenster, gekippte Statue“
Ein General, der mordet und morden lässt, um König zu werden. Eine kaltblütige, von Machtfantasien besessene Ehefrau, die ihn zu diesen Gewalttaten anstachelt. Giuseppe Verdis Oper „Macbeth“ nach dem Drama von William Shakespeare blickt tief in die menschlichen Abgründe.
Am Theater Basel zeigt nun der französische Regisseur Olivier Py eine besonders düstere Version der Geschichte. Kahle, abgestorbene Bäume gruppieren sich zu einem toten Wald. Selbst die Natur spendet kein Leben mehr (Bühne und Kostüme: Pierre-André Weitz). Die Palastmauern sind schwarz. Die Hexen tragen zu Beginn schwarze Kleider und Schleier – oder sind gleich ganz nackt. Das Licht ist spärlich. Selbst das Festbankett im zweiten Akt findet in diesem düsteren Ambiente statt. Die einzige Farbe, die es zu sehen gibt, ist das rote Blut auf dem Kopf des von Macbeth erstochenen Königs Duncan, der nach seinem Ableben in der Badewanne immer wieder nackt durch die Szenerie geistert und sich auch mal christusgleich mit ausgebreiteten Armen präsentiert.
Musikalisch ist der vom neuen Musikdirektor Erik Nielsen geleitete Abend vielfarbiger. Natürlich unterstützt das Sinfonieorchester Basel auch die düsteren Töne der Partitur, aber es ist bemerkenswert, welch Eleganz und Leichtigkeit dennoch in der Interpretation liegt. Umso stärker wirken die wenigen Passagen, wenn der umsichtige Dirigent die Zügel loslässt und sich orchestrale Gewalt entfaltet wie ganz am Ende mit erschütternden Blechfanfaren und dröhnenden Pauken. Auch wenn der Chor des Theaters Basel (Einstudierung: Henryk Polus), der von der Regie häufig an der Rampe aufgestellt wird, mit klarem Fokus und großer Strahlkraft singt, dann wird Verdis Dramatik geschärft. Das Basler Solistenensemble genügt ebenfalls höchsten Ansprüchen.
Vladislav Sulimsky ist auch ein darstellerisch starker Macbeth, dessen wuchtiger, geschmeidig geführter Bassbariton klare Konturen hat. Mit Katia Pellegrino hat er eine hochexpressive Lady Macbeth an seiner Seite, die über eine enorme Tiefe verfügt und die dynamischen Spitzen mit metallenem Timbre härtet. Mit dem überragenden, kraftvollen britischen Bass Callum Thorpe als Banquo und dem berührenden, leuchtenden griechischen Tenor Demos Flemotomos (Macduff) sind im internationalen Ensemble auch die weiteren großen Partien glänzend besetzt.
Musikalisch ist dieser „Macbeth“ eine Wucht. Szenisch rechtfertigt der hohe Aufwand nicht immer die Wirkung. Die beiden großen Weimaraner Jagdhunde, die beim nächtlichen Meuchelmord an Banquo für Schrecken sorgen sollen, möchten lieber spielen als grimmig gucken. Der von den Werkstätten in monatelanger Arbeit hergestellte Berg aus nackten Leichen, der für eine kurze Szene zu sehen ist, scheint genauso verzichtbar wie die bei Olivier Py fast schon obligatorischen nackten Frauen, die meist irgendwo herumlaufen oder -sitzen und dramaturgisch kaum eingebunden sind. Die variablen Bühnenelemente von Pierre-André Weitz mit ihren unterschiedlichen Vorder- und Rückseiten werden häufig hin- und hergeschoben, die Drehbühne oft in Gang gesetzt. Das schafft durchaus Spannung und Abwechslung, ist aber gelegentlich ein Zuviel des Guten.
Nach der Pause im dritten Akt ist Macbeths stählerner, gefängnisartiger Palast unbehaust. In den zerbrochenen Fenstern kündigt sich schon sein baldiges Ende an. Die riesige Statue wird gekippt und kracht mit lautem Knall auf den Boden. Ein einzelnes Buh für die Regie. Ansonsten viel Begeisterung für diesen düsteren, optisch etwas überladenen, aber musikalisch herausragenden „Macbeth“.
Weitere Vorstellungen: 4./ 6./8./13./16./19./22./27.5., 5./7./16.6. 2016.
Georg Rudiger