Utopie und Krise
Das Theater Freiburg geht in die Saison 2011/12
Mit Mammutprojekten kennt man sich im Theater Freiburg spätestens seit der Realisierung von Wagners Ring aus. Und so steht in der kommenden Saison nicht allein „Der Ring des Nibelungen“ als Bühnenfestspiel für drei Tage, bezeichnenderweise über Ostern und Pfingsten auf dem Programm, das Schauspiel wagt sich an Goethes Faust I und II.
Man kann dies durchaus programmatisch nehmen, befasst sich das Theater Freiburg doch in der Spielzeit 2011/12 mit Weltentwürfen und dies unter Einsatz aller Kräfte eines Dreispartenhauses. Man wird also ein bisschen den klassischen Antagonismus von Krise und Utopie in den Häusern des Theater Freiburg spüren. So wird in der gemeinsamen Produktion von Tänzern, Schauspielern und Musikern, „die letzte aller möglichen Welten“ als eine Artistik der Problemverschiebung verhandelt. Mehr Wagner gibt es mit der Oper „Lohengrin“, die von Frank Hilbrich inszeniert wird.
Theresia Walsers Kriegsgroteske „Eine Stille für Frau Schirakesch“ hingegen führt an einen der Krisenherde dieser Welt, wo in 77 Minuten eine Frau in einer Burka gesteinigt werden soll. Während Regisseur Klaus Gehre in seinem Theaterabend „Wolokolamsker Chaussee +/-Terminator“ den Dramatiker Heiner Müller mit dem Blockbusterkino verbindet. Ausgerechnet Terminator, den Arnold Schwarzenegger im Kino verkörpert hatte, soll die Erlösung bringen. So etwas wie Erlösung sucht auch Dostojewskis Romanfigur „Raskolinokow“, die in „Verbrechen und Strafe“ aus Selbstüberhebung eine Pfandleiherin und eher aus Zufall deren Schwester tötet. Thomas Krupa wird diesen Text für die Bühne einrichten. Mit Emily Brontees „Sturmhöhe“ steht eine zweite Romanadaption auf dem Programm von Schauspieldirektorin Viola Hasselberg, Matthias Breitenbach wird den Text inszenieren. Vom Kino hat sich Klaus Gehre mit der Produktion „Remake: Fluch der Karibik“ inspirieren lassen, sie wird die Figur des Piraten als Sinnbild des internationalen Finanzwesens nehmen.
Joachim Schloemer wird für die Inszenierung von Elfriede Jelineks „Ein Sportstück“ nach Freiburg zurückkommen, das den Orestiestoff mit dem Sport als Ausdruck eines Leistungssystems verbindet. Kinder stehen nicht nur im Mittelpunkt von „Sieben Kinderleben“, einer Inszenierung von Felicitas Brucker, die Tanz und Schauspiel miteinbezieht, sondern auch in „Pünktchen und Anton“ nach Erich Kästner, das im November zur Aufführung kommt. In Gerhart Hauptmanns Tragikomödie „Die Ratten“ jedoch wird das Theater selbst zum Thema, indem der ehemalige Theaterdirektor Hassenreuter seine Probenbühne der Umstände halber in einen Problemstadtteil verlegt.
Auch in der Oper stehen Weltentwürfe an. So erkundet Calixto Bieito zusammen mit dem Komponisten Carles Santos die Tragfähigkeit der barocken Vorstellung von der Welt als Theater – und umgekehrt. Calderóns Mysterienspiel wird als musikalisches Schauspiel am Theater Freiburg zu sehen sein. Barock verspricht auch Georg Friedrich Händels Zauberoper „Rinaldo“ zu werden, die von Julia Jones eingerichtet wird. Neue Welten werden in Giacomo Puccinis Oper „Manon Lescaut“ erkundet, auch wenn es die Strafbehörde ist, die Manon Lescaut nach Amerika bringt, wo sie letztlich die alte Gefühlswelt wiederfindet. Verrätselter gibt sich Mozarts „Zauberflöte“, die unter der Regie von Jarg Pataki und der musikalischen Leitung von Fabrice Bollon im Großen Haus zu sehen sein wird. Thomas Krupa ist in der kommenden Saison nicht allein als Schauspielregisseur aktiv, er übernimmt auch die Inszenierung von Giuseppe Verdis „Rigoletto“ unter der musikalischen Leitung von Fabrice Bollon. Und Freiburgs GMD ist zugleich für die musikalische Einrichtung einer Oper für die ganze Familie und Kinder ab neun Jahren verantwortlich.
„Das Kind und die Zauberdinge“ erzählt die Geschichte einer Erziehung. Den Weg zurück nach Freiburg hat auch Bernadette La Hengst gefunden, sie wird die Kampfoperette „Planet der Frauen“ inszenieren, die eine Welt ohne Männer mit Beteiligung von Freiburgerinnen probt. Um den Aufstand geht es auch im Liederabend für Schauspieler „Children of the Revolution“. Regie führt Tom Ryser, der sich am Theater Basel einen Namen mit der leichten Muse gemacht hat und unter anderem Franz Wittenbrinks Liederabend „Sekretärinnen“ auf die Bühne brachte. Wenn da unsere Welt nicht die beste aller möglichen ist.
Annette Hoffmann