Kunst

Umdenken, umbauen, gestalten: Die trinationalen Architekturtage

Ein Verein mit internationaler Strahlkraft. Das Europäische Architekturhaus – Oberrhein hat es sich seit seiner Gründung 2005 zur Aufgabe gemacht, Menschen für Architektur zu begeistern und das in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Das Dreiländereck bietet den idealen Ort für einen grenzüberschreitenden Dialog. Vor allem, wenn das Architekturhaus im Herbst jeden Jahres die Architekturtage veranstaltet („Les Journées de l’architecture“). Vom 24. September bis 31. Oktober und in über 20 Städten der Grenzregion kommen Architekturinteressierte zu Diskussionen, Performances, Stadtrundfahrten, Workshops und vielem mehr zusammen – auch in Freiburg.
Die nunmehr 21. Ausgabe der Architekturtage stellt sich einer brisanten Lage: Wie können wir gemeinsam auf die Herausforderungen unserer Welt reagieren, die sich in einer Krise und Mutation befindet? Für das Europäische Architekturhaus heißt das: „Alternativen? Architektur!“ Die Herausforderung ist, aus der Situation neues kreatives Potential zu schöpfen, um Klima- und Gesundheitskrisen zu begegnen. Gerade Architektur kann und muss das leisten. Schutz vor Klimakastrophen, ökologische Baukonzepte und doch auch der Blick auf wertvolle Bautraditionen.
Als Vermittler*innen solcher Konzepte und als Stars jeder Ausgabe der Architekturtage präsentieren sich international renommierte Architekt*innen. In diesem Jahr sind es Bernard Quirot, Werner Sobek, Philippe Madec und Anne Lacaton.
Für Bernard Quirot ist Architektur zunächst Kunst der Konstruktion. Als Kritiker globaler neoliberaler Logiken sieht er die Lösung vor allem in lokalen Initiativen und der Rückkehr zum Einfachen. Mit seinem Verein „Avenir Radieux“ arbeitet er konkret und lokal gegen die Verödung und den Verfall des historischen Zentrums der Gemeinde Pesmes. Zum Auftakt am 24. September, 18.30 Uhr spricht Quirot in der Briqueterie in Schiltigheim. Werner Sobek kommt am 7. Oktober, 18.30 Uhr in die Oberrheinhalle Offenburg. Dort spricht er über das „Triple-Zero“ und damit über Baustrategien, die ressourcenschonend und dennoch qualitätsbildend sind. Sein „Triple-Zero“ steht dabei für „Zero Energy, Zero Emissions, Zero Waste“. Eine von der geplagten Umwelt unabhängige Baulösung, die Werner Sobek bereits in seinem Modell „Aktivhaus“ umsetzen konnte.
Erste Preisträgerin des Pritzker-Preises 2021 ist Anne Lacaton. Lacaton beschäftigt sich vornehmlich mit Sanierungen, vor allem solche, die bestehende Bauten nachhaltiger gestalten. Sozialer Mietwohnungsbau und öffentliche Einrichtungen sind weitere Aufgabenschwerpunkte Anne Lacatons, die am 28. Oktober, 18.30 Uhr im Zénith Straßburg sprechen wird. Eine Symbolfigur des Frugalitätsgedankens ist Philippe Madec, der am 15. Oktober, 18.30 Uhr in der Université de Haute Alsace, campus Fonderie in Mulhouse sprechen wird. Mit dem „Manifest für eine glückliche und kreative Genügsamkeit“ appelliert Madec für eine Architektur, die respektvoller mit natürlichen Ressourcen umgeht, das Wissen aus organisch entwickelten Bauten nutzt und ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Moderne sucht. Das 2018 gegründete Manifest und die zugehörige Bewegung „Frugalité heureuse” hatten enormen Einfluss und führten zur Gründung vieler Initiativen. Passend dazu zeigt das Europäische Architekturhaus vom 15. Oktober bis 15. November die grenzüberschreitende Wanderausstellung „Frugalité créative – Weniger ist genug“ im KMØ in Mulhouse. Der Vortrag Philippe Madecs bildet den Eröffnungsvortrag zur Ausstellung und eines der Highlights der Architekturtage.
Freiburg selbst ist neben Städten wie Mannheim und Karlsruhe ein weiteres Highlight für Veranstaltungen im deutschen Sektor der Architekturtage. Den Beginn macht ein äußerst ungewöhnliches Ausstellungsprojekt, der Future Fundamental Pavilion. Gemäß seines Kürzels FFP besteht der Pavillion aus 20.000 recycelten FFP2-Masken, die wie Schindeln in einer 8 Meter Durchmesser großen Zeltstruktur zusammenfinden. Vom 5.–15. Oktober ist der Pavillion auf dem Platz der Alten Synagoge zu besichtigen. Am 28. Oktober gibt es ein Wiedersehen im Zénith in Straßburg.
Eine Vorführung des Films „Homo Urbanus Neapolitanus“ gibt das Kommunale Kino am 24. Oktober, 17.30 Uhr. Behandelt wird darin der Rückzug des Menschen in eine urbane Isolation. Die komplexen Begegnungen des Menschen mit seiner urbanen Umgebung weltweit gerinnen zum filmischen Portrait. Historisch hingegen eine Mittagsführung am 8. Oktober, 12.30 Uhr. Freiburgs neue Münsterbaumeisterin Anne-Christine Brehm lässt hinter die Kulissen der Münsterbauhütte blicken und damit in einen Steinmetzbetrieb mit 800-jähriger Tradition. Eine weitere Mittagstour mit Martin Horn führt am 22. Oktober, 12.15 Uhr ins neue SC-Stadion. Als nachhaltiger Bau soll es laut Horn zum neuen „Hingucker“ der Stadt werden. Einen Vortrag am 14. Oktober, 20 Uhr gibt es im Architekturforum Freiburg, Titel: „Refurb“. Das Kollektiv FREAKS ARCHITECTURE aus Paris stellt sich und seinen unorthodoxen Zugang zu Architektur vor. Jenseits von Sehgewohnheiten leben die FREAKS das bauliche Experiment.
Ungewohnte Zugänge und den neuen Dialog mit der Umgebung suchen die Architekturtage seit jeher. Daher veranstaltet das Europäische Architekturzentrum auch dieses Jahr den trinationalen Schülerwettbewerb „OSCAR“. Schüler*innen aus dem gesamten Oberrheingebiet vom Kindergarten bis zur Abschlussklasse widmen sich dem Bau von Architekturmodellen. Das Projekt fördert den kreativen Austausch über die Grenzen und gibt jungen Zukunftsgenies eine Bühne. Thema dieses Jahr: „Es wird heiß! Wir bauen cool!“ Für Studierende gibt es dieses Jahr erstmalig einen trinationalen Workshop: „48H Architecture“. Vom 14.–16. Oktober entwickeln diese im Europäischen Forum in Neuried Projekte rund um das Motto der Architekturtage. Alle Projekte werden während der Architekturtage vorgestellt.

Alle weiteren Veranstaltungen und weiterführende Infos: www.m-ea.eu

Bildquellen

  • FREAKS ARCHITECTURE mit einem pädagogischen Bauernhof: Foto: David Foessel