„Terror Incognitus“: eine Ausstellung im Museum Bassermannhaus in Mannheim
Für Geheimdienstler gelten weder Grenzen noch Regeln
Eigentlich sieht man gar nichts Aufregendes. Ein langweiliges Verwaltungsgebäude, ein Waldstück, ein Stuhl. Der erste Blick auf die Fotoausstellung „Terror Incognitus“, die bis zum 29. Mai im Bassermannhaus der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim gezeigt wird, offenbart nichts Terrorverdächtiges oder Erschreckendes.
Genau das ist der Punkt, um den es dem Fotokünstler Edmund Clark und dem Rechercheur Crofton Black in dieser Ausstellung geht. Die Normalität, hinter der Abgründe lauern. Was kam nicht alles heraus seit die USA und ihre europäischen Verbündeten auf die Anschläge an jenem unvergessenen 11. September ihren „Krieg gegen den Terror“ begannen? Clark und Black wissen vieles davon. Die beiden Briten fanden über ihre jeweilige Auseinandersetzung mit diesem Thema zu ihrer Zusammenarbeit. Crofton Black ermittelte für eine in London ansässige NGO, was mit verschwundenen Menschen passiert ist. Clark reiste an die entsprechenden Orte, was ihn von A wie Afghanistan bis zu S wie Skopje führte und eine abenteuerliche Unternehmung war. Seine Fotografien und das ausliegende praktische Ausstellungs-Handbuch gehören zusammen. Das Hotelzimmer im mazedonischen Skopje sieht so unaufregend aus wie viele anonyme Hotelzimmer weltweit. Erst durch das Wissen, dass in genau diesem Raum der entführte Khaled el-Masri festgehalten und verhört wurde, erfasst den Betrachter ein leiser Grusel.
Der sich steigert, wenn man das abfotografierte Inhaltsverzeichnis im Handbuch für CIA-Agenten liest. Nicht geschwärzt finden sich da die Seitenangaben, unter denen man als Agent nachschlagen konnte, wie man Gefangene beispielsweise in einer so genannten Stress-Position fixiert. Man fragt sich unwillkürlich, welche Dinge in diesem Inhaltsverzeichnis dann doch geschwärzt wurden. In „Terror Incognitus“, dem „Unbekannten Schrecken“, sind eine ganze Reihe interessanter Protokolle zu sehen, die einen guten Einblick geben in das, was die US-amerikanische Regierung unter George W. Bush verharmlosend „innovative Befragung“ nannte. Als ob Folter nicht mehr Folter wäre, wenn man es nur anders nennt.
Clark und Black wollen in der Ausstellung auch einen Eindruck davon vermitteln, wie weit das Netz aus illegalen Entführungen, Geheimgefängnissen und Folter reichte. Die Militärlager der Amerikaner in Afghanisten und im Irak haben eine unrühmliche Bekanntheit in dieser Hinsicht. Hohe Betonwälle und Natodraht vor dem Hintergrund afghanischer Berge zeigen nur die Außenansicht, manches ist schon längst verschwunden. Aber wie schnell internationales Recht und Menschenrechte dem Krieg gegen den Terror geopfert wurden, auch auf europäischem Boden, sollte nicht vergessen werden. Eine nichtssagende Seitenstraße in Mailand war der Schauplatz einer illegalen Entführung durch die CIA. Man sieht dieser Straße beim besten Willen nicht an, was geschah. Flugprotokolle, Rechnungen, die netten amerikanischen Vorstadthäuser, in denen die Piloten wohnen – es ist und bleibt unfassbar. „Terror Incognitus“ versetzt die Besucher in eine Welt, die man vor 9/11 nur aus dem Kino kannte, in der für Geheimdienstler weder Grenzen noch Regeln gelten. Eine Welt, in der selbst mitten in Europa, in Polen und Litauen zum Beispiel, Geheimgefängnisse betrieben wurden. Was davon blieb? Unauffällige Gebäude zwischen Bäumen und die längst nicht nur körperlichen Schäden der Menschen, die dorthin verschleppt wurden. Edmund Clark und Crofton Black lassen in „Terror Incognitus“ die Fotografien und Informationen für sich sprechen.
„Edmund Clark: Terror Incognitus“, Zephyr – Raum für Fotografie im Bassermannhaus Mannheim, Di – So 11 – 18 Uhr, www.zephyr-mannheim.de
Nike Luber