Suche nach Identität und Herkunft: Yan Pei-Ming – „Au nom du père / Im Namen des Vaters“
Derzeit bietet sich die Gelegenheit, das Werk des international renommierten Malers Yan Pei-Ming kennenzulernen; das Musée Unterlinden in Colmar widmet ihm unter dem Titel „Im Namen des Vaters“ eine Ausstellung, die mit rund fünfzig Gemälden sowie Zeichnungen und Gouachen seine stilistische Entwicklung und Auseinandersetzung mit der westlichen Kunstgeschichte erhellt, über vier Jahrzehnte hinweg.
Yan Pei-Ming (*1960) wuchs in China zur Zeit der Kulturrevolution (1966–1976) auf; bereits als Schüler konnte er gut zeichnen und wurde deshalb ermutigt, Propagandabilder von Mao und der Roten Garde anzufertigen; doch für seine Angehörigen malte er auch Buddhas, obwohl dies damals verboten war. An der Kunstakademie in Shanghai abgelehnt, begab er sich 1980 nach Paris; auch hier scheiterte die Aufnahme eines Kunststudiums, woraufhin er als Tellerwäscher in Dijon zu arbeiten begann; in diesem Städtchen konnte er endlich bis 1987 ein Kunststudium absolvieren. Anschließend kam er zunächst auf Mao-Motive zurück, doch wurden auch gesellschaftliche Randgruppen sein Thema, Häftlinge, Prostituierte, Obdachlose, und er porträtierte Tote. Des Weiteren entstanden Landschaften, die undurchdringlich wirken und geographisch kaum spezifiziert sind, „Paysages Internationaux“ genannt; Licht kommt in diesen kurioserweise oft vom Boden her statt von oben.
Pei-Mings Gemälde sind meist großformatig; Wiedererkennungswert verleiht ihnen ein gekonnt virtuoser und pastoser Farbauftrag und eine auf wenige Farbtöne beschränkte Palette, Schwarz, Grau, Weiß, Rot, Türkisblau. Das Interesse des Musée Unterlinden an seinem Werk, das auf eigenwillige Weise figurativ und expressiv ist, rührt nicht zuletzt daher, dass es den Themen des Isenheimer Altars nahekommt, sich nämlich, laut Kuratorin Goerig-Hergott, mit „Herkunft, Religion und Opfertod“ befasst. Entdeckt hat sie den Künstler in Nantes, wo dessen Triptychon „Au nom d’un chien! Un jour parfait“ (Verdammt! Ein perfekter Tag) zu sehen war, das aus lebensgroßen Selbstbildnissen besteht. Im Werk von Ming verbinden sich unterschiedliche Kulturen; anfangs stehen die Bildnisse von Mao, Überfigur und traumatisierender Diktator, der – wie der chinesischen Bevölkerung eingetrichtert wurde – wichtiger sei als der eigene Vater. Doch Ming stellt ihn distanziert dar, während er sich dem Gesicht des leiblichen Vaters zunehmend genauer nähert. Dies weist ebenso auf seine Suche nach Identität und Herkunft wie die Porträts von Onkel, Mutter und Großmutter, die er in Dialog mit Selbstporträts treten lässt, getreu seiner Maxime, wir „sind hier, weil unsere Eltern sich begegnet sind“.
Den Abschluss der Ausstellung bildet das Gemälde „Pandémie“, letztes Jahr von Pei-Ming während des Lockdowns eigens für Colmar geschaffen: in dunklem Niemandsland vor städtischer Kulisse ist er hier vermutlich selbst zu sehen, mit Schutzanzug und Schaufel als Totengräber. „Pandemie“ reiht sich in die kargen „internationalen Landschaften“ ein, die überall sein könnten. Das Musée Unterlinden zeigt neuerdings auch den Parcours „Amours au Musée“, er befasst sich mit der Liebe als künstlerischer Inspirationsquelle – ein anregender Kontrast für die Besuchenden.
Musée Unterlinden. F – 68000 Colmar. Yan Pei-Ming, Au nom du père / Im Namen des Vaters. Mo, Mi 9-18, Do-So 9-18h. 1. Do im Monat 9-20 Uhr. Di. geschl. +33 (0)3 89 20 15 50. Bis 21.10.2021. Weitere Infos: www.musee-unterlinden.com
Bildquellen
- Blick in die Ausstellung „Au nom du père“: Foto: Clérin-Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2020.