Strahlend, entrückt: Eine Ausstellung in der Kunsthalle Messmer demonstriert den Effekt von Lichtkunst auf unsere Wahrnehmung
„Boundless Space“ heißt die Konstruktion. Sein Name ist Programm. Ein begehbarer, voll verspiegelter Kubus, der klare räumliche Grenzen hat und doch eine Unendlichkeit öffnet. Eine strahlende Unendlichkeit nicht zuletzt. Unterteilt ist der Lichtraum der Schweizer Künstlerin Margaret Marquardt mit verschiedenfarbig leuchtenden Neonröhren, die dem grenzenlosen Space eine Einteilung geben und ihn doch seltsam entrücken. Entrückt werden sich viele nach ihrem Besuch der Ausstellung „Lichtkunst“ in der Kunsthalle Messmer fühlen. In Zusammenarbeit mit dem Museum Richter hat die Kunsthalle 40 Werke von 18 internationalen Künstler*innen der Lichtkunstszene zusammengestellt. Die Ausstellung bietet einen idealen Einblick in eine Kunstszene, die mit James Turrell oder den hier ausgestellten François Morellet und Walter Giers weltbekannte Vertreter*innen hat.
Tatsächlich ist nicht einfach zu fassen, was die ausgestellten Werke so faszinierend macht. Das Spiel mit der möglichen Unendlichkeit, den vervielfältigten, leuchtenden Formen gehört aber sicher dazu. Der „Boundless Space“ ist das sicher eindrücklichste Beispiel der Ausstellung, aber auch andere Werke wirken ähnlich immersiv. Etwa Hans Kotters leuchtende, gespiegelte Röhren unter den Titeln „Tunnel View – Down Under“ und „Double View“. Hinter Plexiglas erstrecken sie sich gespiegelt zu allen Seiten. Fast glaubt man einen geheimen Raum hinter den Museumswänden ausfindig zu machen. Tatsächlich ist es ein Spiel mit der Perspektive, der Blick entgleitet mit der spiegelnd verstärkten Leuchtkraft der ausgestellten Objekte. Durchaus, so auch angesichts von Brigitte Kowanz‘ Arbeit mit gespiegelt-leuchtender Form und Schrift, fühlt man sich an die letzte Ausstellung der Kunsthalle Messmer zur illusionistischen Kunst erinnert.
Leuchtende Formen, die ganz ohne Illusion einzunehmen wissen, präsentiert Regine Schumann mit ihren kraftvoll strahlenden Werken. Beruhigend wirkt ihr Einsatz von fluoreszierenden Materialien. Strahlkräftig sind auch Antje Blumensteins große Fensterinstallationen. Diese im Bereich des Cafés und damit im Nachgang der Ausstellung zu platzieren, erweist sich als origineller Einfall in der Ausstellungsgestaltung.
Einnehmend ist auch die Bewegung, die vielen der Leuchtwerke eigen ist. Nicht zufällig arbeitet ein Künstler wie François Morellet, dessen Werk „Balance war no. 2 rouge“ hier ausgestellt ist, auch im Bereich Kinetischer Kunst. Daniel Hausigs Aluminiumkonstruktion „Wetterleuchten #5“ zeigt Lichtsequenzen in stetem Wechsel auf einzelnen Röhren. Gegenständliches, Fragmente einer Landschaft werden sichtbar, einzelne Impressionen, die bisweilen an die abstraktesten Werke des Impressionismus erinnern. Nicht zufällig stoßen wir innerhalb der Ausstellung auf die Darstellung von Seerosen, das prominente Motiv Claude Monets.
Unmöglich zu greifen und doch hypnotisch in ihrer Wirkung sind Betty Rieckmanns Objekte, die trotz ihres beschränkten Formats so immersiv wirken wie Marquardts „Boundless Space“. Mit ihren Werken „A Morphing Frank Stella 10“ und den zwei ausgestellten Werken ihrer Serie „between clouds“ spielt die Künstlerin unmittelbar mit der biologischen Wirkung von Licht. Sanft rhythmisch pulsierend oder im raschen Wechsel der verschiedenfarbig leuchtenden Rahmungen verlieren die Betrachtenden den Fokus, finden sich in einem Raum wieder, der eigenen Gesetzen folgt. Entsprechend bleibt nur zu wiederholen: In seiner faszinierenden Wirkung ist diese Kunst kaum zu beschreiben. Gleichermaßen basieren viele der gezeigten Werke auf konkreten physikalisch-mathematischen Überlegungen zur Wahrnehmung. Im Schnittbereich von Kunst und Wissenschaft spiegelt die Lichtkunst das Interesse am Menschen und seinen Möglichkeiten (neu) zu sehen.
„Lichtkunst“, Kunsthalle Messmer, Riegel. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10–17 Uhr. Bis 26.02.2023. kunsthallemessmer.de
Bildquellen
- Regine Schumann „Color Pastel Yellow Belt Cologne“ (2018): © Kunsthalle Messmer
- Magaret Marquardt: „Boundless Space“ (2021): © Kunsthalle Messmer