Rebecca Horn stellt im Museum Tinguely Basel aus
„Körperphantasien“ – ausgeflippt erotisch
Vertrackte Ideen stecken hinter den performativen Arbeiten und kinetischen Skulpturen von Rebecca Horn. Den Ausgangspunkt dafür liefert der Körper der Künstlerin und seine Bewegungen. Werke aus 40 Schaffensjahren sind aktuell im Museum Tinguely Basel und im Centre Pompidou Metz zu erleben.
Die Werke von Rebecca Horn lenken das Sensorium des Betrachters nicht vornehmlich auf das Visuelle, sondern auf den gesamten Körper sowie insbesondere auf den Tastsinn, der über Füße, Hände und Arme gereizt wird und dabei auf die gesamte Physis wirkt. Die 30 Arbeiten aus rund 40 Schaffensjahren, die derzeit im Museum Tinguely unter dem Titel „Körperphantasien“ gezeigt werden, geben einen repräsentativen Einblick in die Arbeitsweise einer Künstlerin, deren stimmige Kompositionen vertrackte Ideen beherbergen. Die Schau begreift Horns Entwicklung in vier Stationen, d.h. Transformationsprozessen – „Flügel schlagen, Zirkulieren, Einschreiben, Tasten“, so die Kuratorin Sandra B. Reimann.
Rebecca Horn (*1944) arbeitet zwischen Performance, Video, Zeichnung, Skulptur und plastischem Environment – all dem liegt eine eigensinnige poetische Imagination zugrunde. Stets geht es um die Erweiterung des menschlichen Körpers durch Maschinen und Werkzeuge, handle es sich nun um Bleistift, Schreibmaschine oder Stöckelschuh; sinnlich erfahrbar wird der Gebrauch von Dingen thematisiert, die menschliche Organe erweitern, neue Wahrnehmungsmöglichkeiten eröffnen und gleichzeitig limitieren. Etwa hat Horn Fingerverlängerungen erfunden, mit denen sie ihre Position in einem bestimmten Raum ertastet.
Dass Objekte, die Gliedmaßen optimieren, auch akustische Qualitäten haben, inszeniert Rebecca Horn als Geräusche – etwa Tippen, Klappern, Schaben, Streichen – und macht bewusst, dass Schallwellen und Medien-Vibrationen nicht nur per Gehör wahrgenommen werden, sondern zudem über die Haut. Indem die Künstlerin Mechanismen von Menschen und Dingen choreografiert, sodass Funktionsvorgänge, Gemütsbewegungen und Passionen aufscheinen, gewinnt sie die Aufmerksamkeit des Betrachters.
Ihren zahlreichen Aktionen und Performances seit den 1960er Jahren („Weißer Körperfächer“, „Die Pfauenmaschine“) folgen vor allem kinetische Skulpturen und Installationen („El Rio de la Luna“), die sich mit Fließen, Zirkulieren und Pumpen beschäftigen, wobei Quecksilber eine wichtige Rolle spielt, was auf Horns Affinität zur Alchemie verweist. Werden im Frühwerk weiche Materialien wie Federn und Textilien verwendet, so tauchen später zunehmend mechanische Elemente und Metalle auf.
Viele ihrer Werke verkörpert Rebecca Horn selbst, zum Beispiel verwandelt sie sich mit einer sogenannten „Bleistiftmaske“ (1972) in einen Zeichenapparat, der rhythmisch Striche auf einer Wand hinterlässt. Ihre Malmaschinen, die Farbspuren auf Objekte, Wände und Böden versprengen („Salomé“, „Les Amants“), machen Emotionen sichtbar. Thema ist stets der Mensch und seine seelischen Kräfte, das aufwühlend magnetische Kräftespiel der Liebe, das zwischenmenschliche Strömen von Energie.
Das Centre Pompidou-Metz zeigt momentan mit „Theater der Metamorphosen“ eine ergänzende Ausstellung, die Rebecca Horns Werk unter „animistischen, surrealistischen und mechanistischen Gesichtspunkten“ nachgeht und die Rolle des Films als Matrix dieses Schaffens verfolgt. Auch die Schau im Museum Tinguely hält eine filmische Dokumentation bereit, nämlich von neun kuriosen Performances aus den Jahren 1974-75, darunter „Die untreuen Beine“. Viel Aufschlussreiches zur persönlichen Mythologie von Rebecca Horn bietet der Ausstellungskatalog, er enthält spannende Texte zu ihren literarischen Bezügen (Roussel, Artaud) sowie Sentenzen und Wortgebilde aus ihrer eigenen Feder.
Was: Rebecca Horn: Körperphantasien
Wann: bis 22.9.2019
Wo: Museum Tinguely, Paul-Sacher-Anlage 1, 4058 Basel
Web: www.tinguely.ch
Was: Rebecca Horn: Theater der Metamorphosen
Wann: bis 13.1.2020
Wo: Centre Pompidou-Metz
Web: www.centrepompidou-metz.fr
Bildquellen
- kultur_joker_kunst_rebecca_horn_weisser_koerperfaecher_filmstill_1972: 2019: Rebecca Horn/ProLitteris, Zürich