Rauschendes Blut
Calixto Bieitos Inszenierung von Lorcas „Bluthochzeit“ führt in ein düsteres Spanien
Mehrere dunkel gekleidete Gestalten stehen um einen Turm aus Stühlen, manche tragen Schuhe, andere nicht. Es riecht nach Weihrauch, obwohl es nur Theaternebel ist, der die Szene im Schauspielhaus Basel diffus werden lässt. Man hört ein litaneihaftes Geflüster, Oberkörper wiegen sich hin und her. Warum ist die Inständigkeit des Betens nur der Liebe so nah. Es herrscht ein rauer Ton in Calixto Bieitos Basler Inszenierung von Federico García Lorca. Viel Verbitterung ist zu spüren, wenn Mutter (sehr eindrücklich: Grazia Pergoletti) und Sohn (Philippe Graff) um das Klappmesser streiten, das dieser mit in den Weinberg nehmen will. Wegen der Trauben, sagt der Sohn – wegen der Fehde mit den Félix‘, argwöhnt die Mutter, die ihr nach ihrem Mann und ihrem erstgeborenen Sohn nun auch noch den jüngsten rauben könnten.
Die Aggression, die diese Frau ausstrahlt, ist nicht zu übersehen und so darf man mutmaßen, auch ein Grund, dass sich ihre Ahnungen einlösen werden. Kaum betritt Leonardo (Julian Hackenberg) die Bühne wird das eben noch so harmlose Tuch in den Händen der Mutter zur Schlinge, mit dem sie den Mann würgt bis dieser zu Boden geht und sie auf ihm kniet und ihn schier erdrosselt. Dafür braucht es nicht einmal ein Messer und der Autor hatte diese Begegnung auch gar nicht vorgesehen. Federico García Lorcas „Bluthochzeit“ ist ein dunkles Stück, in dem Blut die Erde tränkt, Land unveräußerlich zu den Familien gehört, das Blut in den Ohren der Liebenden rauscht und Frauen fruchtbar wie ein Feld sind.
Fröhlichkeit bringt all das nicht ins Haus. Die Frauen haben keine Gegenwart, immer liegt das Glück schon hinter ihnen oder in der Zukunft, wenn sie heiraten. Doch dann werden freudlos Kinder gezeugt, die das Unglück nur vermehren und fortsetzen. Liebe, falls es sie gibt, hat nichts Zärtliches, da wird rüde ein anderer Körper herangezogen und als die Braut (Zoe Hutmacher) von ihrer eigenen Hochzeit zu ihrem früheren Verlobten flieht, verbindet ein Viehstrick die Hände der Liebenden. Zärtlichkeit ist allenfalls in den Liedern, mit denen die Kinder in den Schlaf gewogen werden und die von wund gelaufenen Pferden erzählen. Ob und warum Leonardo jeden Abend zu seiner früheren Verlobten reitet, fragt niemand. Auch so drückt er seine schwangere Frau (Judith Strössenreuter) in ihren Tränensee.
Was macht diese Menschen eigentlich so hart? Die Hitze, die Landarbeit, die Familienehre,
die rigide Sexualmoral, die Bedeutung von Reichtum? Das mag einem fast historisch, wenn nicht gar folkloristisch vorkommen. Calixto Bieitos Inszenierung bleibt nah am Text, was so nicht unbedingt zu erwarten gewesen war und möglicherweise damit zu tun hat, dass Bieitos Inszenierung „Der Sturm“ gerade einmal eine Woche zuvor in Mannheim Premiere hatte. Zielstrebig drängt diese 90-minütige Bluthochzeit zur Katastrophe, wo sie dann verweilt und zusieht, wie die Figuren von ihren Gefühlen übermannt werden. Bieitos Regiehandschrift geht ins Expressive, die Gesichter sind verzerrt, unterstützt von der Lichtführung Anton Hoedls.
Zwischenstimmungen, ein Zögern kennt diese Inszenierung nicht und dies ist eine ihrer Schwächen. Poetisch wird es dann, wenn der Mond (Katka Kurze) und der Tod (Karl-Heinz Brandt) sich zur wahren Bluthochzeit vereinen. Es ist eine Poesie des Todes. Wenn am Ende die Stühle an der Bühnenkante aneinander gereiht stehen, schließen sich die Reihen, die Toten sind beerdigt und die Lebenden werden weitermachen und wieder beten. Da wäre mehr drin gewesen.
Weitere Vorstellungen: 3./8./ 22./28. Februar, Theater Basel.
Annette Hoffmann