Queeres Theater mit erfrischend einfachen Mitteln
Das “Prinzip Katamaran und andere Identitäten” vom Theaterkollektiv RaumZeit
Wann ist der Mensch ein Mann? Eine Frau? Oder eben einfach: MenschIn? Wer möchte behaupten, es gäbe nur zwei Geschlechter? Wer möchte ernsthaft bestreiten, dass nicht jedermann oder -frau mit mehr oder weniger Anteilen des jeweils anderen Geschlechts ausgestattet ist? In Wahrheit sind die Übergänge fließend, zwischen den Polen des männlichen und des weiblichen Prinzips wären unzählige weitere Geschlechter – „andere Identitäten“ – anzusiedeln. Eigentlich… Sind sie aber nicht. Denn da hält das „Prinzip Katamaran“ seinen Riegel vor, das, wie sein Name schon sagt, aus nur zwei Polen besteht. Dazwischen: Nichts.
Die karge Bühne ist in farbiges Licht getaucht. Bis auf ein Keyboard, zwei einander gegenübergestellte Stühle in der Mitte, einer Decke und ein Radio ist da nichts, das von der Handlung ablenken könnte. Handlung? Wir befinden uns in Katamaranien, jener unserer Gesellschaft also, die streng zwischen Mann und Frau, Tag und Nacht, Schwarz und Weiß unterscheidet. Dass es dazwischen nicht nichts gibt, das lehrt nun der einstündige eindringliche Monolog, der Nic Reitzenstein alias Antonia Silberstein durch „verschiedene Höllenkreise der Sozialisation“ führt, um am Ende als Zwischenwesen Gnoi zu sich selbst zu finden.
Wer allerdings genau hinhört, wird nicht ZeugIn ihrer äußeren gesellschaftlichen Adaption, als vielmehr ihrerbis inneren Überwindung des Selbstbildes von ihrem monomanen Ich hin zu – eben jenem Gnoi, das Antonia Silberstein zuvor nie sein durfte. Gnom-Boy hat man sie als Kind immer genannt, als Gnoi (griech.: Erkennen) hat sie nun endlich ihre innere Heimat gefunden, ihre Identität, ihr König-Innen-Reich. Sie hat gar keine andere Wahl. Da Katamaranien diese Identität für sie gar nicht vorgesehen hat, musste sie sich selbst erfinden.
Auch wenn das rein inhaltlich schwer vorstellbar ist: Das Stück „Prinzip Katamaran und andere Identitäten“ ist ein überaus kurzweiliges Plädoyer für die feinen Unterschiede. Dies ist neben dem so entlarvenden wie poetischen Text (Jenny Warnecke) und den Soundeffekten (Musik / Mitspieler: Burkhard Finckh) in erster Linie dem brillant-intensiven Spiel Nic Reitzensteins (auch Regie) geschuldet. Ihr ist das Stück auf den Leib geschrieben. Wie eine gläserne Seele führt sie dem Publikum vor Augen, welch Zwistigkeiten sich im Inneren der Spezies MenschIn abspielen. Eine herrliche Mimin, die die dürftige Szenerie zusammenhält wie ein Gerüst, in dem sie sich unablässig kindlich-jung gebärdet und tobt, zirpt oder klagt, bis sie am Ende ihr König-Innen-Reich heraufbeschworen hat. Ein toller Auftakt des (aus diesen drei MenschInnen bestehenden) Theaterkollektivs RaumZeit mit erfrischend einfachen Mitteln.
Nächste Vorstellung: 11. März 2017, 19.30 Uhr.
Infos: www.theaterkollektiv-raumzeit.de
Friederike Zimmermann