Theater

Peter Carp inszeniert zum Spielzeitauftakt des Freiburger Theaters Tschechows Frühwerk „Platonow“

Im Großen Haus dreht sich die Sommervilla als ginge es hier wirklich voran und nicht nur ebenso im Kreis herum. Ein Kamin, ein paar Stühle mit Tisch, mehrere Holzbalken stützen die Veranda, zu der eine Außentreppe führt. An der Wand hängt ein Stich aus einem Insektenbuch und wirklich haben wir merkwürdige Spezies vor uns. Diese Sommerfrische gehört Anna Wojnizewa (Janna Horstmann), dass sie jung verwitwet ist, reizt die Gemüter. Doch Wojnizewa ist pleite, das Anwesen ist hoch verschuldet, der reiche Nachbar könnte aushelfen, doch er wird verschmäht. Es sieht ein bisschen wie ein Puppenhaus aus, doch das wäre ein anderes Drama (Bühne: Kaspar Zwimpfer). Hier wird Anton Tschechows Frühwerk „Platonow“ gegeben, Regie führt Intendant des Theater Freiburg Peter Carp. Eine Projektion wird auf die Bühnenrückwand geworfen, die das Geschehen in kleine Segmente unterteilt, irgendwann ist das Video verpixelt, dann gibt es ganz den Geist auf. Was kaum jemand zu bemerken scheint.
„Platonow“ ist ein Ensemblestück und daher bestens angetan, nach dem Monolog von Robert Hunger-Bühler die neue Spielzeit einzuläuten. Noch zwölf Rollen weist die Freiburger Inszenierung auf, in der Originalfassung sind es mehr als 20. Dass Charaktere wider besseres Wissen handeln, ist nicht ungewöhnlich für Tschechow-Figuren, doch Michail Platonow (Martin Hohner) macht wirklich keine halben Sachen. Kaum eine Frau oder eine Beziehung, die er nicht ruiniert, zuallererst Sascha Iwanowna (Stefanie Mrachacz), seine eigene Frau. Man erinnere sich: der Mann ist Dorflehrer, hat sogar das Studium abgebrochen. Alle sind irgendwie dünnhäutig und teilweise bewaffnet, was keine wirklich gute Kombination ist.
Dabei hat man noch nicht einmal das Gefühl, Platonow würde es in irgendeiner Weise genießen. Stattdessen wird er, wenn wirklich alles schon zu spät ist, sich in seiner Schuld suhlen wie auf einer schmutzigen Matratze, was er auch ganz wörtlich tut. Sie liegt auf einer Euro-Palette. Dieses Unentschiedene ist nicht einmal melancholisch, Martin Hohner gibt ihm etwas Überdrehtes, so als ob man es nur genügend überspielen müsste, um es ungeschehen zu machen. Reihum verzweifeln und sterben Menschen, es ficht ihn wenig an. Und weil die (männliche) Hysterie so etwas wie der Grundton dieser Inszenierung ist, fällt es auch schwer den anderen Figuren so etwas wie Tiefe zuzugestehen. Bis ins Sprechen hinein ist diese Inszenierung seltsam übersteuert, manchmal wird geradezu albern deklamiert.
Ziemlich am Anfang wird darüber räsoniert, dass man sich in der Vergangenheit Aufführungen bis zum Ende angesehen hat. Es klingt ein bisschen wie eine ironisch gemeinte Drohung, denn tatsächlich dauert die Inszenierung über drei Stunden. Das ist aber noch gut vier Stunden kürzer als die ungekürzte Fassung. Eine Erleichterung ist das jedoch nicht, allzu fern bleiben einem diese Figuren.

Weitere Vorstellungen: 13./20./27. November, jeweils 19.30 Uhr und 28. November 19 Uhr im Großen Haus des Theater Freiburg. Weitere Infos: www.theater.freiburg.de

Bildquellen

  • (v.l.n.r.) Moritz Peschke, Martin Hohner, Laura Palacios, Henry Meyer, Janna Horstmann und Thieß Brammer in „Platonow“: Foto: Birgit Hupfeld