Performanceabend „Crashtest Paradise“ im Freiburger E-Werk
Von Liebespaaren und Tanzsäcken
Geht das eigentlich noch, „Romeo und Julia“ bei einer Schulaufführung? Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie oft auf der Bühne von jungen Tanzschülern bereits von der Liebe und dem Sterben dieses Paares der Weltliteratur erzählt wurde.
Die Absolventen von bewegungs-art zeigen im Rahmen des Performanceabends “Crashtest Paradise”, dass man “Romeo und Julia” durauch noch aufführen kann – wenn man schnell zum Wesentlichen kommt und es nicht ganz so ernst meint.
Beim Duo von Kai Brügge und Myriam Enters stammt die Musik von Igor Stravinskys „Feuervogel“ und auch ein bisschen von Charlie Chaplin (Choreografie: Daniel Rakovsky). In bester Kintopp-Manier wird auf der Projektionsfläche im Großen Saal des Freiburger E-Werks „A tragedy by Shakespeare. Romeo and Juliet“ eingeblendet.
Das nächste Mal kann man dort schon die Frage, wer wohl diese Frau sei, lesen. Julia, nämlich. Die Arme stehen weit offen, schnell ist das Hemd ausgezogen und das Paar wälzt sich am Boden, mal ist sie oben, dann er. So geht es eine ganze Weile, so dass für das tragische Ende dann kaum mehr Zeit bleibt. Da wird ins Leere gelaufen, gebarmt und jede Sekunde wird der eingeblendete Text länger und die Schrift kleiner. Schließlich ist die Geschichte hinlänglich bekannt.
Eine schöne ironische Volte – zumal „Crashtest Paradise“, die Tanzperformance von Tip – Schule für Tanz, Improvisation und Performance von bewegungs-art – bis dahin doch ziemlich belanglos war und Längen hatte. 15 Absolventinnen und Absolventen sind an der diesjährigen Ausgabe beteiligt, die von Lilo Stahl, Bernd Ka und Oliver Lange begleitet wurde.
Sie proben nichts Geringeres als das Paradies, der Crash, das Scheitern ist durchaus legitim, stehen die jungen Tänzerinnen und Tänzer doch erst am Anfang. Zehn Choreografien zwischen Solo, Duo, sowie Trio und Ensemblestück sind entstanden, zwei basieren auf der Improvisation.
Die Performanceabende von Tip zeichnen sich eher selten durch stilistische Präzision aus, mehr durch Charakter und Witz. Anik Katharina Auer und Clara Dapolonia von Arx zeigen mit „Undercover“ ein derart originelles Duo. Die beiden haben sich in einen dieser derzeit so beliebten Tanzsäcke gezwängt und liegen erst einmal als verdrehtes, orangefarbenes Knäuel am Boden. Zu Christian Zehnders archaisch-komischem Gesang schaffen sie lebende Statuen, beleben die Geometrie, dann wiederum muss man an zwei Rochen, dann an ein Paar denken, bei dem der eine den anderen überragt.
Nicht weniger mitreißend ist das Trio von Myriam Enters, Clara Dapolonia von Arx und Kristina Wirth „run.“. Rennen werden die drei Frauen wirklich, allerdings auf der Stelle und umringt von einer offenen Säule aus Kunststoff, aus der sie immer wieder ausbrechen, indem sie sich auf den Boden werfen. Vor allem jedoch peitschen sie ihre langen Haare an die Säule. Immer wieder werfen sie ihre Mähne nach vorne über den Rand, schauen ein bisschen ratlos durch den Haarvorhang und ziehen diesen mit einer Kopfbewegung wieder nach innen. Das bricht so lustvoll mit Klischees, dass schwächere Arbeiten in den Hintergrund treten.
Annette Hoffmann