„Passion – Leidenschaft“-Ausstellung im Museum ART.plus in Donaueschingen
Von Ultraschwarz bis Schneeweiß
Schwarz, diese markante und lichtärmste Farbe, trete sie nun alleine oder kontrastiv auf, ist in der Kunst seit Jahrzehnten ein heiß diskutiertes Sujet. Für Pierre Soulages (*1919 Rodez), der momentan mit fünfzehn monochromen Arbeiten im Fokus der Ausstellung „Passion – Leidenschaft“ im Museum ART.Plus in Donaueschingen gezeigt wird, wurde Schwarz im Zusammenspiel mit Lichtreflexen, die Nuancen von Anthrazitgrau bis zu Weiß hervorzubringen vermögen, eine wahre Passion.
Bereits in den 1940er-Jahren hatte Pierre Soulages zur Abstraktion gefunden, was ihm nach dem Zweiten Weltkrieg sofort weltweit Anklang verschaffte. Seit den 1970er Jahren hat er mehrere Serien und Kategorien sogenannter „outrenoir-Gemälde“ geschaffen, die zunächst „ultraschwarz“ erscheinen, sich aber tatsächlich jenseits von Schwarz ereignen, was folgendermaßen bewerkstelligt wird: in einen pastosen Farbauftrag wurden tiefe Furchen und Kerben eingezogen, so dass dynamisch strukturierte Bildflächen entstehen. Je nachdem, welches Werkzeug Soulages dafür benutzte, Bürsten, Besen oder Gummistücke, variiert die Beschaffenheit der Bildfläche und damit die Wirkung des Lichts, das ständig neue Helligkeitsabstufungen zu modulieren vermag; die Werke sind nie endgültig, der Betrachter verwirklicht sie fast meditativ.
Kunst erreicht niemals einen Endpunkt und ist eine erfreulich geist- und fantasievolle Kraft, das zeigt sich an weiteren exzellenten Exponaten internationaler Künstler, mit denen die Ausstellung im Museum ART.plus aufwarten kann, darunter Skulpturen und Reliefs. Auch diese beziehen sich direkt oder indirekt auf Schwarz, wobei jeweils innovative Materialträger zum Zuge kommen, bei Nunzio etwa verkohltes Holz, bei Nika Neelova Silikonkautschuk und Kohlestaub, schwarzpigmentierte Bronze bei Tony Cragg und schwarz-weiß Kontraste bei François Morellet und Ellsworth Kelly. Bildwerke von Gert Riel, Sibylle Wagner, Pino Pinelli, Pizzi Cannella, Piero Ruggeri und Darío Basso weisen hingegen kontrastiv auf Schwarz und umkreisen mit je eigenen Konzepten den Vorgang der Wahrnehmung von Farbe und Stofflichkeit.
Wenn am Anfang der Ausstellung eine dynamische Skulptur in Orange von Stephan Rohrer verblüfft, so am Schluss ein weißes Einhorn von Friedemann Flöther, das gerade mit seinem Überschuss an Licht und voller Elan beginnt, sein gedrehtes Horn durch die Wand zu bohren; das legendäre Tier lässt sich symbolisch für das Thema Leidenschaft begreifen. Und: wo ein Einhorn auftaucht, wird es möglicherweise hell und klar, was auch für diese Ausstellung gilt – denn Schwarz steht hier keinesfalls für Finsternis, sondern für hohe Intensität.
Leidenschaft-Passion: Im Fokus Pierre Soulages. Museum ART.plus. Donaueschingen. Mi – Fr 13 bis 17 Uhr, Sa, So und Feiertagen von 11 bis 17, jeden ersten Do im Monat 13 – 20 Uhr. Mo u. Di geschl. Bis 28.1. 2018
Cornelia Frenkel