KolumneMixtape

Parallelwelten auf dem Stühlinger Kirchplatz

Bekanntermaßen gilt der Stühlinger Kirchplatz als Treffpunkt geflüchteter Menschen und bekanntermaßen ist auch die Polizei dort oft vertreten. Im idyllischen Grün vor dem beliebten Fotomotiv der Herz-Jesu-Kirche treffen beide Gruppen aufeinander und schon seit langem ist der Vorwurf laut, dass diesen Begegnungen „Racial Profiling“ zugrunde liege. In dem im Frühjahr 2020 in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ veröffentlichten Artikel „Stühlinger für Alle“ verweist der Anwohner*innen-Verein Stühlinger darauf, dass Menschen auf dem Kirchplatz bei Polizeikontrollen „wegen ihres Aussehens rassistisch diskriminiert und entwürdigend behandelt“ würden. Mehr als eineinhalb Jahre später, am 29. September 2021 trafen im Rahmen einer Podiumsdiskussion im E-Werk, veranstaltet vom Freiburger Verein CaPoA (Cooperation and Progress of Africans) Polizei und kritische Zivilgesellschaft direkt aufeinander. Die Veranstaltung gab einen beunruhigenden Blick auf zwei Parallelwelten, auf zwei Parteien, die miteinander keine Sprache gefunden haben.
Dabei wäre ein Blick auf die Zahlen verbindlich genug. Doch Statistiken zu Racial Profiling in Freiburg gibt es nicht. Entsprechend schwebend verblieb der Begriff innerhalb der Debatte. Matthias Zeiser, der die Freiburger Polizei als deren Vizepräsident in der Diskussion vertrat, wollte den Begriff keinem Verhalten der Polizei zuordnen. Er sprach vielmehr von einem respektvollen Umgang der Polizei bei den Kontrollen. Selbstbewusst sprach er für die Beamt*innen im Dienst: „Wir führen verhaltensorientierte Kontrollen durch. Wir kontrollieren nicht aufgrund des Aussehens einer Person.“ Die Freiburger Polizei habe sich der „Charta der Vielfalt“ verschrieben und biete intern Fortbildungen im Bereich interkulturelle Kompetenz an.
Beunruhigend war die Veranstaltung deshalb, weil dieser versöhnlichen Darstellung eine geschlossene Front von Vorwürfen aus dem Publikum gegenüberstand. Schon früh wurde der Behauptung des Vizepräsidenten, bei den genannten Formen des Racial Profiling müsse es sich um Einzelfälle handeln, Erfahrungen verschiedener Beobachter*innen solcher Kontrollen entgegen gehalten. Als sich Nelson Momoh, Nigerianer, Erster Vorsitzender von CaPoA und Streetworker auf dem Stühlinger Kirchplatz, selbst als Betroffener einer verhaltensunabhängigen Kontrolle äußerte, war die Spannung im Saal überdeutlich. Auch weil Momoh direkt neben Zeiser saß, eine Vermittlung zwischen beiden Welten aber nicht stattfand. Momoh klagte indes nicht an, sondern wertete sein Erlebnis auch positiv. Durch die Polizeikontrolle, die er schon am ersten Tag erleben musste, konnten die jungen Männer auf dem Platz gleich sehen, dass er nicht zur Stadt gehöre. Der Kommentar des Streetworkers verrät eine Tragik: Wie kann es sein, dass jene, die nach Deutschland geflüchtet sind in grundsätzlicher Skepsis gegenüber der Stadt und ihren ausführenden Organen verbleiben? Bleibt es da nicht bei einer Fluchtbewegung? Solche Fragen dürften und sollten die Freiburger Polizei nach diesem Abend weiter beschäftigen. Dass Matthias Zeiser seine Kritiker*innen auf ein klärendes Gespräch zum Kaffee eingeladen hat, dürfte die Lage voraussichtlich nicht entspannen.

 

Die Seite wird unterstützt von:

Bildquellen

  • Zu Racial Profiling bei der Polizei gibt es in Freiburg bislang keine Studien: Foto: UnratedStudio