Kunst

„Painting to remember“ nennt der Maler Alexander Dettmar seine Bilder von zerstörten jüdischen Synagogen

Die Auseinandersetzung mit Architektur steht im Zentrum des künstlerischen Schaffens des Malers Alexander Dettmar. Inspiriert von der Ausstrahlung spezieller Bauwerke bringt er seine Interpretationen zumeist direkt vor Ort im Freien auf die Leinwand, in seinem Stil und fernab von jeder naturalistischen Wiedergabe. So war er 1992 vom Wiederaufbau der in der Pogromnacht am 9. November 1938 von einem Nazi-Mob teilweise und später durch einen Bombenangriff erheblich zerstörten Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin tief beeindruckt. Über 1400 dieser markanten architektonischen Zeichen jüdischen Lebens in Deutschland wurden vom November-Terror 1938 von den Nazis demoliert, zerschlagen oder verbrannt. Auf der Suche nach Überresten, zum Beispiel in der Stadt Güstrow, stellte Dettmar fest, dass in den meisten Fällen nichts oder höchstens kleine Gedenktafeln an die Synagogen erinnerten und diese einstigen Zeugnisse jüdischer Kultur aus den deutschen Städtebildern und somit auch aus dem Bewusstsein der Menschen so gut wie verschwunden waren. Gegen diesen ungeheuren Verlust wollte er sich mit seinen Mitteln stemmen. Er recherchierte Pläne, Zeichnungen oder alte Fotos der Bauwerke, besichtigte deren ehemalige Standorte, sprach mit Zeitzeugen und machte sich an die Arbeit. Seine Vision war ein schöner Raum voller Bilder, die diese zertrümmerten Kultstätten wenigstens malerisch „wiederauferstehen“ lassen und so an die an ihnen und ihren Gemeinden verübten Verbrechen erinnern sollten. Im Laufe von mehr als 20 Jahren hat Dettmar über 150 Bilder von ehemaligen Synagogen aus Deutschland und anderen Ländern entstehen lassen, die seither in zahlreichen Ausstellungen in der gesamten Republik zu sehen sind.
Noch bis 17. Dezember sind ein großer Teil seiner Werke in der Katholischen Akademie in Freiburg und einige großformatige Bilder in der Synagoge der Israelitischen Gemeinde Freiburg in der Nussmannstraße ausgestellt. Beide Institutionen zeichnen für diese Ausstellung gemeinsam verantwortlich, die mit der Unterstützung der Erzbischof Hermann Stiftung ermöglicht wurde und sie ist Bestandteil der zahlreichen bundesweiten Veranstaltungen im Festjahr 2021 zur Erinnerung an „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“.
Dettmars Bilder sind in vorwiegend erdigen, dumpfen Farben gemalt, das Weiß der Wände erscheint an vielen Stellen beschmutzt, die Lichtstimmung eher fahl und kalt. Er verbannt jede Ornamentik oder anderes Schmuckwerk, Menschen kommen nicht vor, alles ist auf das Nötigste reduziert. Auf den meisten Bildern sind die Synagogen freigestellt, erscheinen monolithisch ohne ihre umgebende Örtlichkeit. Dem Betrachter wird keine Chance gegeben, in kulinarischen Kunstgenuss zu flüchten – das Bauwerken und Menschen angetane Grauen ist unsichtbar mitgemalt. Der Freiburger Kulturmanager und Publizist Bernd Kauffmann hat dies in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung so formuliert: „Dettmars Bilder zerstören jede Schönschauerei und beim stillen Betrachten seiner hoffnungslosen Markierungen aller Restbestände des Menschlichen flüstern sie uns die Worte aus des großen jüdischen Lyrikers Paul Celan Gedicht „Die Todesfuge“ nah ans Ohr: „…der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau…der Tod ist ein Meister aus Deutschland…“.
Die Bilder in der Synagoge der Israelitischen Gemeinde in der Nussmannstraße sind nur nach vorheriger schriftlicher Anmeldung und Terminabsprache unter der Mail-Adresse info@jg-fr.de zu besichtigen.

Die Ausstellung in den Räumlichkeiten der Katholischen Akademie Freiburg, Wintererstraße 1, ist bis zum 17. Dezember 2021 montags bis freitags von 8.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Bis 17.12.2021

Bildquellen

  • Alexander Dettmar und die Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde Freiburg vor dem Bild der ehemaligen Freiburger Synagoge: Foto: Erich Krieger