Nach der Performance von New Noveta verbleibt eine Installation im Kunstverein Freiburg
Grüne Dystopie
Performances werfen immer die Frage auf, was bleibt. Genügt da ein Vorhang aus mehreren Bahnen olivgrünen Latex und die mehr oder weniger eingetrocknete grüne Farblache, beleuchtet von einem fahl aussehenden grünen Licht und verdichtet von elektronischem Sound? Hinterlässt ein Auftritt wie der von New Noveta bei der Vernissage ihrer Ausstellung „Fateful“ nicht immer auch eine gewisse Aura?
Im Kunstverein Freiburg jedenfalls hat man sich entschlossen, die Ausstellung durch Vorträge und Gespräche mit den Freiburger Wissenschaftlern Marion Mangelsdorf sowie Ulrich Bröckling und Gregor Dobler zu erweitern und zu ergänzen, aus London wird die Kulturkritikerin und Feministin Nina Power anreisen.
Die Kunst von New Noveta lädt nicht grundlos zu einer solchen Reflexion mit Kulturwissenschaftlern und Soziologen ein. Es geht um Weiblichkeit und die Kehrseite eines optimierten Ichs. Doch allein die Einmaligkeit und Kürze der Performance – Keira Fox und Ellen Freed wiederholen ihre Arbeiten nicht, bauen lediglich Teile in spätere ein ‒ erzeugt Redebedarf. New Novetas Performances überfallen einen wie ein Ereignis, sie sind lauter als manches Konzert, sie sprechen unangenehme Gefühle wie Angst, Panik und Verzweiflung an.
Als Zuschauer ist die eigene Rolle unklar, weicht man den rennenden Künstlerinnen aus, wird man leicht vom Geschehen abgehängt. War das Oper oder ein Singspiel, so wie es heute erfunden werden würde oder einfach eine Erinnerung daran, dass Keira Fox einmal in einer experimentellen elektronischen Band spielte?
Das britisch-schwedische Künstlerinnenduo arbeitet oft mit zwei hierarchischen Ebenen. In ihrer Freiburger Performance wird sie durch den Musiker und Komponisten Vindicatrix, aka David Aird verkörpert, der noch bevor die beiden Frauen in grün-braunen Reifröcken die Galerie betreten, zu singen anfängt. Er wird für jene Flussmacht stehen, die wir aus vielen Märchen kennen und die jedes Jahr ein neues Opfer fordert.
Meist jedoch tragen Keira Fox und Ellen Freed diesen Konflikt raumgreifend und kräfteverschleißend mit sich und gegeneinander aus. Fox und Freed rennen die Treppe herunter, zwischen beiden Bereichen des Vorhangs hin und her, sie werden sich Stücke aus dem Kostüm schneiden, dessen Reifrock sich immer wieder nach oben stülpt. Sie werden grün eingefärbte Eisstücke auf dem Boden verteilen und sich in Ecken drängen und aus zwei Kanistern von der Galerie grün gefärbtes Wasser in die Ausstellungshalle leiten.
Ein bisschen ist es mit New Noveta und der Weiblichkeit so, wie mit den Trägerinnen und den Reifröcken. Denn im 19. Jahrhundert konnte dieser weitausladende Unterrock aus Federstahlbändern hergestellt werden, so dass selbst Dienstmädchen sich plötzlich Krinolinen leisten konnten. Die Kunst von Keira Fox und Ellen Freed ist eine ständige Selbstermächtigung. Die beiden Frauen werden in ihren Performances grundsätzlich laut, sie gehen über das hinaus, was in der Öffentlichkeit üblicherweise toleriert wird.
Es sind Verhaltensmuster, die man leicht als hysterisch abtun könnte. New Noveta verwehrt sich gegen eine solche Wahrnehmung. Das, was als krank oder zumindest als nicht normal stigmatisiert wird, könnte ebenso als Kraft verstanden werden, geben sie zu bedenken. Nicht grundlos erinnert die 1984 geborene Fox im Gespräch an die Fälle, bei denen Passanten in Notsituationen nicht zur Hilfe eilten.
Die Britin wuchs in den späten Thatcher-Jahren auf, als sie und Ellen Freed 2011 New Noveta gründeten, war die Zeit vom Neoliberalismus geprägt. Empathie ist keine Assoziation, die einem bei ihren Performances einfiele, aber in der Umkehrung ist sie womöglich deren geheimes Zentrum.
Annette Hoffmann
New Noveta mit Vindicatrix, Fateful. Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21. Di-So 12-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr. Bis 1. Juli.
Gespräch mit Marion Mangelsdorf: 27. Juni, 19 Uhr.
www.kunstvereinfreiburg.de