Monet-Ausstellung zum 20-jährigen Bestehen der Fondation Beyeler
Sanfte Doppelgänger
Lässt sich überhaupt etwas Neues, bisher Ungesehenes von Claude Monet zeigen? Die Fondation Beyeler hat dennoch eine Ausstellung über den beliebten Maler zu ihrem zwanzigjährigen Bestehen gewagt. Und tatsächlich kann man die schlicht „Monet“ betitelte Ausstellung nicht nur mit Genuss, sondern auch mit Gewinn an Erkenntnis betrachten.
Kurator Ulf Küster hat sich auf die Jahre ab 1880 konzentriert und zudem die Schau um Orte und Landschaften als Kristallisationspunkte organisiert: die Normandie, London, immer wieder Wasser und das ländliche Frankreich. Zwar hatten sich bis dahin weder Claude Monet noch der Impressionismus wirklich durchgesetzt, doch der Maler wurde finanziell unabhängiger.
In einer Institution wie der Fondation Beyeler dürfen dann auch die Heuhaufen Monets nicht fehlen, schließlich bilden sie dank des Gewährsmanns Wassily Kandinsky einen Übergang zur Abstraktion. Nach einer Ausstellung in Moskau schrieb Kandinsky: „Zum ersten Mal sah ich ein Bild. Dass das ein Heuhaufen war, belehrte mich der Katalog. Erkennen konnte ich ihn nicht“. Die Stärke der Ausstellung ist der Reichtum an Varianten und dass es gelungen ist, selten zu sehende Werke nach Riehen zu holen. Nach Monets bekannten Bildern der Kathedrale von Rouen, den besagten Heuhaufen und dem Kornschober als Entree verfolgt die Ausstellung einige ausgewählte Motive, geht ihnen in mehreren Beispielen nach und sucht Parallelen im Gesamtwerk auf.
Der Winter 1879/80 muss ähnlich kalt gewesen sein wie die vergangenen Wochen. Die Seine fror zu und Eisplanken schoben sich übereinander. Claude Monet muss der Anblick dieses Eisgangs fasziniert haben, zwei Dutzend Werke entstanden in dieser Zeit. Monet hielt diese besondere Stimmung zu unterschiedlichen Tageszeiten fest. Mal sind die Eisplanken und die Szenerie in ein leichtes Rosé getaucht, dann erstarrt alles in einem kalten Blau. Hügel erheben sich jenseits des Ufers, die kahlen Stämme von Pinien staken in den Winterhimmel und die Landschaft sieht aus hätten wir es mit Kanada zu tun. Kein Mensch weit und breit. Monet experimentiert bei diesen Winteransichten mit dem Licht und Spiegelreflexen.
Überhaupt ist es ja das Uneindeutige, das er sucht. An London schätzt er den Smog. „Ohne den Nebel wäre London keine schöne Stadt. Es ist der Nebel, der London seine wunderbare Weite gibt“, schreibt er. Es ist die Industrialisierung, die Londons Luft derart verschmutzte, wissen wir heute. Auf einer der Ansichten der Waterloo-Bridge, die die Fondation Beyeler zeigt, sieht man im Hintergrund die qualmenden Schlote. Der Smog dämpfte die Konturen und ließ alles ineinander übergehen. In der Fondation Beyeler verfolgt man diese Spur bis hin zu den Seerosenbildern, die mit den raumeinnehmendem „Les bassin aux nymphías“ eine prominente Position einnehmen. Hier werden die Seerosen, die sich im Teich spiegeln, dann das ganze Bild füllen.
Dazwischen finden sich aber noch weitere Darstellungen von der Seine, die gegen Ende des Jahrhunderts entstanden sind. Der Wasserspiegel ist die Symmetrieachse für einen Rahmen aus herabhängenden Weiden. Das alles ist in ein sanftes Pastell getaucht und könnte auch der erste Blick in den Himmel sein nach einem Traum am Ufer der Seine. Der Moment des Spiegelns wird zugleich der, in dem der Maler über das Medium Bild nachdenkt.
Dazwischen finden sich auch die dramatischeren Bilder Monets – die ausgeleuchteten Städte Südfrankreichs und die wildromantische Küste der Normandie mit ihren spektakulären Felsformationen, die mit der Eisenbahn touristisch erschlossen wurde und zu deren Bekannt werden die Impressionisten entscheidend beitrugen. Er sei „verrückt nach dem Meer“, schrieb er seiner zweiten Frau. Es war die schnelle Veränderung der Stimmung, die ihn ansprach. Es war sein Anspruch, diese in seinen Bildern festzuhalten.
Monet. Fondation Beyeler, Baselstr. 101, Basel-Riehen. Täglich 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr. Bis 28. Mai.
Annette Hoffmann