Theater

Mit inszenatorischem Geschick bringt das Theater im Marienbad Klimadiskurse auf die Bühne

Fakten brauchen Erzählungen. „Die wärmsten Jahre“ klingt nach Erzählung. Eine Hinterhoferzählung zunächst. Zur Premiere kommt das Stück auf der kleinen, idyllisch gelegenen Gartenbühne des Theaters im Marienbad. Auf der Bühne steht Schauspieler Benedikt Thönes, der sich selbst als „Bene“ einführt – und ja, Bene braucht eine Geschichte, eine Geschichte zu den Fakten. Die Fakten sind: Es wird heißer auf der Erde, wir sind verantwortlich für die Entwicklung und: das nennt man Klimakrise.
Von einer Krise träumt auch Bene, von einem Alltag, der in einer ewigen Hitzeglut stattfindet. Zu seinen Worten lässt Schauspieler und irgendwo auch Kleinkünstler Thönes sein Akkordeon schnaufen. Apokalypse. Aber dann wacht Bene auf und weiß: Seine Geschichte muss nicht so verlaufen. Die wärmsten Jahre können auch durch sinnvolle Handlungen, Aktivismus geprägt sein. Von diesem Punkt an begibt sich Bene auf eine Odyssee, die ihn nach Lösungskonzepten suchen lässt. Akkordeon, Megafon und ein kleines, traurig blattloses Bäumchen als Aufhänger für verschiedene Bildmotive bleiben Requisiten für dieses reduziert inszenierte Ein-Mann-Theater, das jeglicher pädagogischer Pose entbehrt. Denn Bene bleibt fragend, mögliche Antworten lässt er andere formulieren.
Der Entwicklung des Stücks unter der Regie von Jana Vetten ging eine ausführliche Recherche voran. Das Team sprach mit verschiedenen Klimaexpert*innen, die in unterschiedlichen Institutionen tätig sind. Neben den bekannten Akteuren wie Fridays for Future, Extinction Rebellion oder Greenpeace waren auch lokale Vertreter wie der Unverpacktladen Glaskiste und der nachhaltige Mobilfunkanbieter WeTell darunter, diese alle – und Lilly.
Mit Lilly nämlich beginnt die Reise Benes und die ersten Schwierigkeiten. Denn so sehr Bene versucht, Recyclingprofi Lilly nachzueifern, so sehr demoralisiert ihn, wie seine Umgebung und sein innerer Schweinehund dem gegenüberstehen. Die Erkenntnis bleibt: Nachhaltige Politik kann doch wohl kaum Sache des Individuums bleiben! Also findet sich Bene prompt bei den lauten Protesten vor einem Klimagipfel wieder. Benedikt Thönes simuliert das Stimmwirrwar, ruft bekannte Slogans und lässt Leute im Publikum Transparente verlesen. Die Dringlichkeit eines globalen Handelns steht massiv im Raum. Auch mit Benes Besuch bei Aktivist*innen, die innerhalb der Baumkronen, ihrer „Pirateninsel“, gegen die Rodung eines Waldes demonstrieren, taucht das Publikum in die Welt intensiver Klimadiskurse ein. Eine klassische Erzählung gibt es dann nicht mehr, viele Fakten stattdessen. Dass „Die wärmsten Jahre“ dennoch so greifbar und eindringlich bleibt, ist der engagierten wie bildstark erzählenden Performance Benedikt Thönes‘ zu verdanken. Mit dem Stück tourt er ab September durch verschiedene Klassenzimmer. Welche Antworten die Schüler*innen zwischen 9–13 Jahren für ihn bereithalten, dürfte noch einmal spannend werden.

„Die wärmsten Jahre“ ist ab dem 27. September mobil als Klassenzimmerstück buchbar. Anfragen unter der Nummer 0761 1379721 oder per Mail an gruppen@marienbad.org, www.marienbad.org

Bildquellen

  • Benedikt Thönes auf kleiner Bühne: Foto: Minz & Kunst Photography