„Kunst die im Wege steht“: Markus Lüpertz-Ausstellung im ZKM Karlsruhe
Vokabular aus Farben und Formen
Überlebensgroß. Ob es um die fast immer großformatigen Gemälde geht oder um seine Skulpturen, Markus Lüpertz geht mit Verve und Überzeugung ans Werk. Seit Jahrzehnten gehört er zu den prägenden Gestalten der reichen deutschen Kunstszene – und ist selbst mit Sicherheit auch eine einprägsame Erscheinung.
Markus Lüpertz kommt nicht einfach herein, er tritt auf, ein Dandy vom Scheitel bis zur Spitze des sicher nicht beim Trödler um die Ecke erworbenen Gehstocks. Eigentlich fehlt zur Abrundung nur noch eine Entourage aus Cancan-Tänzerinnen der Belle Époque. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen, Markus Lüpertz ist in seiner Kunst ein kompromisslos eigenwilliger und in dieser Hinsicht absolut moderner Künstler. Davon kann man sich in der Ausstellung „Kunst, die im Wege steht“ überzeugen, die bis zum 20. August im ZKM Karlsruhe gezeigt wird.
Malerei und Skulptur im Zentrum für Kunst und Medientechnologie? Lüpertz sieht das völlig entspannt. Die Malerei habe ein in Jahrtausenden entwickeltes Vokabular aus Farben und Formen, mit dem die Künstler immer neue Sätze schreiben könnten. Medienkunst gebe es, wenn man die Fotografie mitzählt, erst seit 150 Jahren, da sei man gerade erst dabei, ein Vokabular zu bilden. Keine Konkurrenz aus seiner Sicht, eher ein belebender Wettbewerb. Wer seine eigenen Werke überall auf der Welt zu Hause weiß, kann sich eine gelassene Einstellung auch leisten. Das Spannende an der Schau im ZKM liegt in dem weiten Bogen, der von frühen Arbeiten über bisher nie öffentlich zu sehende Werke bis zu den Skulpturen reicht.
Gut, dass die Lichthöfe des ZKM viel Raum bieten. Da kommt die erstmals ausgestellte, farbige Vorzeichnung im Format 8 x 14 Meter für das 1977 ausgeführte Wandgemälde für das Krematorium Ruhleben in Berlin bestens zur Geltung. Davor hat Lüpertz die Teile des Steingusses für seine monumentale Mercurius-Skulptur arrangiert, hier ein Bein, dort das andere, in der Mitte der große Kopf mit dem geflügelten Helm des Götterboten. Eigentlich müssten die Sandalen geflügelt sein, aber Lüpertz‘ Mercurius ist barfuß unterwegs. Seltsamerweise passen Vorzeichnung und Steingussteile zusammen, obwohl es inhaltlich nicht die geringste Verbindung gibt.
Markus Lüpertz hat ein überraschendes Faible für Rokokomaler wie Claude Poussain oder Jean-Honoré Fragonard und eine entschiedene Abneigung gegen den Trend, in der Kunst ständig auf tagesaktuelle Ereignisse reagieren zu sollen. Er konzentriert sich lieber auf Wesentliches. Die „4 Bilder über den Krieg“ zum Beispiel. Man kann darin die Fratze von Adolf Hitler erkennen. Aber der düstere Totentanz beklagt jedes Massaker, jeden Heldentod, und das Bild mit dem Titel „Fronttheater“ zeigt in Form von Knochen und Totenkopf sehr plastisch, was jede Kriegsfront bedeutet.
Lüpertz geht es in seiner Kunst nicht um Abbildung, sondern um Atmosphäre. So sieht man in dem aus 33 Gemälden in unterschiedlichen Größen bestehenden Zyklus „Dädalus“ nicht einmal den Absturz von Ikarus, der trotz aller Warnungen seines Vaters Dädalus zu hoch flog, so dass die Sonne das Wachs aus den Flügeln schmolz. Lüpertz malte vor allem Federn. Einzelne Federn, viele Federn, Flugfedern und Daunenfedern. Und zwischendurch eine tragische Gestalt, Dädalus.
Gern spielt Lüpertz ein Motiv in mehreren Variationen durch. Das geht auch abstrakt, zum Beispiel im Zyklus mit dem ironischen Titel „Bei Nacht besetzen Störche Lüderopolis“. Aufgebaut wie ein Flügelaltar tummeln sich Tupfen, Gitter und Dreiecke, nichts davon akkurat mit dem Lineal gemalt, und wer in den fünf „Altarbildern“ (selbstverständlich ohne Nacht und ohne Storch) die Variation sucht, findet sie in den kryptischen Schnörkeln, die entfernt an Schriftzeichen erinnern. Malerei mit einem Schuss Mysterium.
Nike Luber
„Kunst, die im Wege steht“, ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, Lorenzstr. 19,
Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa+So 11-18 Uhr.
Bis 20. August 2017.
www.zkm.de