Interview

Man muss einen Schritt mehr machen

Im Gespräch: Tobias Hauser, Fotojournalist und Mundologia-Veranstalter

Die von Tobias Hauser und David Hettich initiierte Mundologia zählt mittlerweile zu den wichtigsten und hochkarätigsten Events im Freiburger Kulturkalender. 2004 im Bürgerhaus im Seepark erstmals durchgeführt, erfolgte vor knapp fünf Jahren der Umzug ins Konzerthaus, wo sich Europas größtes Festival für Fotografie, Abenteuer und Reisen inzwischen in vollster Blüte zeigt. Der Stellenwert der Veranstaltung lässt sich nicht zuletzt am Publikumszuspruch ablesen, der 2011 erstmals die Marke von 20.000 Besuchern überschritten hat. Im Vorfeld der 10. Mundologia, die vom 1. bis 3. Februar 2013 wiederum mit einer ganzen Reihe namhafter Referenten über die Bühne geht, unterhielt sich Claus Weissbarth mit Tobias Hauser.

Kultur Joker: Herr Hauser, 10 Jahre Mundologia sind gewiss eine gute Gelegenheit, ein Resümee zu ziehen. Wie fällt das aus ihrer Sicht aus?
Hauser: Wenn ich daran denke, wie ich vor 13 oder 14 Jahren noch mit dem Fahrrad – den Diaprojektor und Kassettenrecorder im Rucksack – zum Hausfrauenclub oder Seniorenwohnheim gefahren bin, um vor 30 Personen Vorträge zu halten, dann ist eigentlich mehr als ein Traum in Erfüllung gegangen. Als wir das damals gestartet haben, war der Gedanke, die Mundologia eines Tages im Konzerthaus vor so vielen Menschen zu präsentieren, in keiner Weise präsent. Wir waren schon froh, das Bürgerhaus im Seepark oder das Audimax voll zu bekommen. Dass wir damit ein derartiges Interesse wecken könnten, war seinerzeit praktisch unvorstellbar. Und natürlich freuen wir uns auch darüber, dass wir die Mundologia neben anderen Events wie dem ZMF oder den diversen Messen als festen Bestandteil im Freiburger Kulturkalender etablieren konnten. Es geht aber nicht allein um die Größe der Veranstaltung, sondern auch darum, dass man die Menschen auch im Multimediazeitalter noch mit guten Live-Reportagen begeistern kann und das Interesse sogar noch zunimmt. Diese Anerkennung ist für mich eigentlich mit die wertvollste Erkenntnis.
Kultur Joker: Der immense Erfolg hat in großem Maße sicherlich auch mit der Qualität der Vorträge zu tun.

Hauser: Es war von Beginn an mein erster Ansatz mit der Mundologia, einerseits Weltkenntnis zu vermitteln und auf der anderen Seite auch eine Plattform für qualitativ hochwertige Vorträge zu schaffen. Das Niveau schwankt natürlich ein wenig, da jeder Referent seinen eigenen Stil hat, aber wir prüfen die Vorträge grundsätzlich im Vorfeld und versuchen schon die bestmögliche Qualität in Freiburg zu präsentieren.
Kultur Joker: Die Qualität steht und fällt letzten Endes mit der Leistung der Referenten. Nach welchen Kriterien wird bei der Auswahl vorgegangen?
Hauser: Im Prinzip gibt es vier wesentliche Kriterien, auf die wir besonderen Wert legen und die alle gleich bedeutsam sind: Authentizität und Bühnenpräsenz der Referenten, Qualität der Fotos und Filmsequenzen und die Qualität der Geschichten. Wie spricht der Referent zum Publikum, wie präsentiert er seine Bilder und Geschichten? Sind diese interessant, unterhaltsam mitreißend und sinnlich? Kann der Zuschauer am Geschehen teilhaben, ist er gefesselt oder fiebert er mit? Wenn die Geschichten gut sind, lassen sich weniger gute Aufnahmen leicht verschmerzen. Beispiele dafür sind Rüdiger Nehberg, Reinhold Messner oder Hans Kammerlander, die derart spannende Geschichten erzählen, dass die Bildqualität zweitrangig ist. Andere wiederum sind fantastische Fotografen mit einer sensationellen Bildsprache. Sie haben vielleicht keine außergewöhnlichen Geschichten zu erzählen, schaffen es jedoch, die Besucher mit ihren Bildern zum Träumen zu bringen. Wenn wir Referenten finden, die alle Kriterien auf hohem Niveau erfüllen, dann ist das natürlich das Optimum. Davon gibt es aber nur wenige. Wir versuchen eine gute Mischung zu finden, um den verschiedenen Erwartungshaltungen gerecht zu werden.
Kultur Joker: Das Renommee der Mundologia lässt sich auch daran ablesen, dass inzwischen Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus den Nachbarländern Schweiz, Frankreich, Österreich, und den Benelux anreisen. Wie ist dieser Zuspruch zu erklären?
Hauser: Wir haben mit dem Konzerthaus zwar ein sehr teures, aber auch ein sehr schönes, mitten in der Innenstadt gelegenes Haus, das für unsere Zwecke ideal ist und beste Möglichkeiten bietet so eine Veranstaltung zu präsentieren. Ich denke, viele Besucher genießen einfach die Mischung aus tollem Ambiente, Vorträgen, Messe, Ausstellungen und Seminaren und nehmen daneben auch die Gelegenheit wahr, sich die schöne Stadt Freiburg anzuschauen.
Kultur Joker: Würden Sie denn von einer kontinuierlichen Entwicklung sprechen oder gab es die ein oder andere Begebenheit, die die Entwicklung maßgeblich beschleunigt hat?
Hauser: Beides. Ich würde von einer kontinuierlichen Entwicklung sprechen, wobei uns aber der Schritt vom Bürgerhaus im Seepark ins Konzerthaus schon ganz entscheidend voran gebracht hat. Dieser war zwar mit einem gewissen Risiko verbunden, jedoch auch mit vielen neuen Möglichkeiten. Wir konnten nun ein vielfältigeres Reportagen- und Seminarprogramm anbieten, die Messe deutlich ausbauen und damit auch neue Kooperationspartner gewinnen, die sich im Konzerthaus deutlich besser präsentieren können.
Kultur Joker: Die Mundologia ist mittlerweile ja das größte Festival seiner Art in Europa. Gibt es denn noch vergleichbare Festivals beziehungsweise Veranstalter in anderen Städten, die sich daran machen, das Freiburger Erfolgsmodell zu kopieren?
Hauser: Es gibt einige schon länger etablierte Festivals zum Beispiel in Frankfurt, Jena und Saalfeld. Ansonsten sind das gerade in den größeren Städten eher Veranstaltungsreihen, aber keine Festivals. Es ist auch kein einfaches Unterfangen, so etwas aufzubauen. Wir betreiben hier schon einen sehr großen Aufwand in Sachen Marketing, der doch recht deutlich über dem liegt, was andere Veranstalter praktizieren. Allein in die gute Zusammenarbeit mit unseren Kooperations- und Medienpartnern, in das Aushandeln neuer Verträge, der Akquise neuer Sponsoren und in die Pflege von Kontakten investieren wir alleine drei Monate Arbeitszeit, und das Thema MUNDOlogia ist eigentlich das ganze Jahr präsent.
Kultur Joker: Bislang treten bei der Mundologia ausschließlich deutschsprachige Referenten auf. Wäre es denn nicht spannend und bereichernd, in diesem Punkt noch internationaler zu werden?
Hauser: Derartige Ideen bestehen schon länger, es ist jedoch auch eine Kostenfrage, da die Referenten zum Teil teurer sind und wir auch die Flugkosten bezahlen müssten. Zudem ist es schwieriger deren Qualität zu prüfen. Irgendwann werden wir jedoch sicherlich auch einen englischsprachigen Referenten in Freiburg präsentieren.
Kultur Joker: Gibt es darüber hinaus Bestrebungen, die Mundologia künftig noch größer zu gestalten?
Hauser: Wir sind kaum noch am expandieren, da wir an den Grenzen der räumlichen Möglichkeiten angelangt sind. Für uns geht es jetzt in allererster Linie darum, das Niveau zu halten und an dem einen oder anderen Punkt noch an der Qualität zu feilen. Zum Beispiel gibt es 2013 erstmals Platzkarten, so dass die Besucher nicht mehr so früh kommen müssen, um sich ihren Platz zu sichern. Neu ist auch, dass wir National Geographic als Medienpartner gewinnen konnten. Die Geschichte des berühmtesten Naturmagazins der Welt wird bei der 10. Mundologia in der Ausstellung „125 Jahre National Geographic“ zu sehen sein, ebenso steht ein Vortrag zum Thema auf dem Programm.
Kultur Joker: Das Motto der kommenden Mundologia (1. bis 3. Feburar 2013, d. Red.) lautet „Lebe deinen Traum!“ Was wollt ihr damit suggerieren?
Hauser: Wie haben uns mit der Mundologia einen großen Traum erfüllt und sind mit der positiven Entwicklung mehr als zufrieden. Wir stehen mit vollem Herzen hinter unserer Arbeit was sicher auch einer der Gründe ist, warum wir so erfolgreich sind. Zum 10-jährigen Jubiläum wollten wir das Leben von Träumen ins Zentrum rücken und haben Referenten gesucht, die mit ihrer Arbeit sehr eng verbunden sind und dabei auch ihren Traum leben. Wie zum Beispiel Dieter Schonlau, der als National-Geographic Fotograf mit seiner Frau Sandra Hanke insgesamt über 10 Jahre im Dschungel gelebt hat und nur durch seine Liebe und sein großes Interesse am Regenwald so extrem seltene und fantastische Bilder machen konnte. Oder den Extrembergsteiger Stephan Glowacz, dessen ganze Leidenschaft den Bergen und ihren steilsten Wänden gilt. Er lebt ebenfalls seinen Traum.
Kultur Joker: Von diesem Motto kann sich unter Umständen aber auch jedermann eine Scheibe abschneiden…
Hauser: …zumal man seinen Traum auch vor der Haustür leben kann, denn es gibt auch in unserer Gegend traumhaft schöne Ort, die man nur entdecken muss. Ich habe sehr oft Begegnungen mit Menschen, die sagen: „Ach, Herr Hauser, Sie führen so ein tolles Leben und sind so viel unterwegs“. Dann sage ich immer: „Machen Sie es doch auch, machen Sie eine kreative Pause, brechen Sie auf oder probieren sie etwas Neues aus und schauen Sie, wo ihr Herz schlägt“. In der Regel kommen dann sofort Einwände, ob man hinterher wieder in seinen Beruf zurückkehren kann. Aber wenn man es nie probiert, weiß man auch nicht, ob man nicht vielleicht doch etwas anderes machen könnte, was einen vielleicht weitaus mehr befriedigen würde.
Abgesehen davon gibt es viele Träume, die nichts mit Reisen und fernen Ländern zu tun haben. Eine gute Freundin von mir ist Lehrerin und lebt in Neuseeland. Sie liebt Schokolade und hat sich irgendwann entschlossen, ein eigenes Pralinengeschäft zu eröffnen und selbstgemachte Kreationen anzubieten. Um einen Traum zu leben, muss man einfach einen Schritt mehr machen, als man es sich zunächst vielleicht zutraut. Aber erst dann öffnen sich neue Türen, die die Entwicklung eines Menschen positiv beeinflussen können. Mir hat einmal ein 91-jähriger kubanischer Tabakbauer gesagt: „Wenn Du Liebe und Leidenschaft für deine Arbeit empfindest, wirst Du immer gut und erfolgreich sein“.
Kultur Joker: Die Mundologia bietet auch 2013 wieder ein breit gefächertes Programm, darunter einen Vortrag über das Mittelmeer, das die Deutschen ja schon ausgiebig bereist haben. Was gibt es denn dort noch zu entdecken?
Hauser: Da bin ich auch gespannt. Aber wenn man sieht welche Länder am Mittelmeer liegen und was dort in manchen Ländern momentan passiert, dann geht das weit über das hinaus, was wir gemeinhin kennen. Umrundet man das Mittelmeer, fährt man durch die verschiedensten Kulturkreise, begegnet den unterschiedlichsten Menschen und Religionen und kann somit weitaus mehr erleben, als in den uns bekannten touristisch erschlossenen Regionen.
Kultur Joker: Zu den Attraktionen zählt gewiss auch Andreas Pröve, der trotz Querschnittslähmung nach einem Motorradunfall schon seit vielen Jahren seinen Traum lebt und spannende Reportagen macht. Was ist von ihm zu erwarten?
Hauser: Gegenüber allen anderen Referenten hat Andreas Pröve aufgrund seines Handicaps den fragwürdigen Vorteil, Erfahrungen machen zu können, die in dieser Form kein anderer machen wird. Ganz klar, wenn man im Rollstuhl unterwegs ist, dann ist es natürlich etwas anderes, als wenn man sich mit herkömmlichen Verkehrsmitteln fortbewegt. Außerdem berichtet er von seinen Abenteuern und unglaublichen Erlebnissen auf eine sehr sympathische, ehrliche und authentische Art.  Seine Reportagen sind ausgesprochen unterhaltsam, gut produziert und fotografiert. Er ist zurzeit zu Recht einer der erfolgreichsten Referenten im deutschsprachigen Raum.
Kultur Joker: Welche Vorträge würden Sie darüber hinaus als Highlights der kommenden Mundologia bezeichnen?
Hauser: Neben Dieter Schonlaus atemberaubender Natur-Reportage „Regenwald – auf der Fährte des Jaguar“ und der Reportage „Extremklettern am Ende der Welt“ von Stephan Glowacz zählt vor allem Florian Schulz mit „Abenteuer Arktis – Ein Jahr im ewigen Eis“ zu den Highlights. Der National Geographic Fotograf zeigt fantastische Fotos und hat eine der beeindruckensten Live-Reportagen der letzten Jahre produziert. Eine Top-Reportage ist auch „Yukon – 3.000 Kilometer Kanada & Alaska“ des Journalisten Dirk Rohrbach. Seine epische Flussreise alleine in einem selbstgebauten Birkenrindenkanu führt mitten in die Wildnis Kanadas und Alaskas. Ein Traum für alle, die das Abenteuer und die Natur lieben.
Kultur Joker: Herr Hauser, wir bedanken uns für das Gespräch.