Lope de Vegas „Tumult im Narrenhaus“ im E-Werk
Ein abgedrehtes Possenspiel
Liebe oder Betrug? Sein oder Schein? Vernunft oder Wahn? In der ebenso turbulenten wie verrückten Komödie „Tumult im Narrenhaus“ von Vielschreiber Lope de Vega (1562-1635) liegt das alles hautnah beieinander und kann blitzschnell ins Gegenteil umschlagen.
Klar, kommt es dann reihenweise zu aberwitzigen Missverständnissen und Verwechslungen, zumal de Vega die Handlung komplett in eine Irrenanstalt verlegt. Mit diesem klugen Schachzug übertölpelt er nicht nur die gestrenge Kirche und Moral seiner Zeit, sondern bietet auch noch eine Arena für viel Theater im Theater: Bald weiß hier keiner mehr, wer verrückt ist oder nur so tut.
Bester Stoff also für die Viertsemestler der Freiburger Schauspielschule im E-Werk, die hier mit Gästen den traditionellen Klassiker zur Zwischenprüfung inszenieren: Bietet dieses Stück doch das ganze Repertoire an Emotionen und Geisteszuständen – da lässt sich´s lustvoll aus dem Vollen spielen. Regisseurin Nuscha Nistor hat bei dieser Produktion der Experimentalbühne de Vegas opulente Rollenliste auf ihr neunköpfiges Ensemble zurechtgestutzt, Mathias Willaredt-Nistor begleitet das Tohuwabohu auf der Bühne punktgenau am Klavier mit stimmungsvoller Live-Musik zwischen spanischem Flair und Stummfilm-Klamauk.
Die Geschichte selbst ist das reinste Herzens-Chaos, bei der Amor im Minutentakt seine Pfeile kreuz und quer quasi über Bande schießt und mit allerlei Liebesverwirrungen aus den Protagonisten Narren macht, die sich dann auch noch mit echten Narren mischen, die so närrisch gar nicht sind. Kurz: Es ist kompliziert und lustig. Vor allem aber erotisch – geht’s hier doch weniger um die große Liebe als um Sex und glühendes Begehren. So glaubt Don Floriano (Jakob Stöckeler) nächtens den Thronfolger vor einem Bordell erstochen zu haben und flüchtet vor den Häschern ins Narrenhaus. Dort verliebt er sich in Dona Erifila (Nadja Maric), die mit ihrem Diener durchgebrannt ist und bis auf die Unterwäsche ausgeraubt ebenfalls im Narrenhaus landet, wo sich gleich Anstaltsleiter Pisano (Hannes Severin Rockus) und Florianos Freund Don Valerio (Max Färber) in sie verknallen. Pisanos Nichte (Victoria Sonntag) und die Köchin (Nora Zoe Haak) wiederum verzehren sich nach Don Floriano. Und dann gibt es da noch schrullige Quacksalber (Ruben Degendorfer) und pfiffige Verrückte im Doppelpack (Cäcilia Bosch, Julia Seibt).
Das alles wird mit nichts als vier weißen Schiebewänden auf die Bühne gebracht, da bleibt viel Platz für die jungen Akteure in tollen Rot-Weiß-Schwarz-Kostümen (Nuscha Nistor). Die bringen dann auch vollen Einsatz: Schmeicheln, singen und schreien, hüpfen und tanzen, kriechen auf allen Vieren oder kratzen sich die Augen aus, um am Ende doch meistens lüstern übereinander herzufallen. Das wird lustvoll karikiert, mit viel Slapstick und manchmal allzu hochtourig auf die Bühne gebracht. Zumal die Körpersprache hier einen starken Part spielt und oft viel deutlicher Gefühle ausdrückt als der Text – Ein abgedrehtes Possenspiel, mit viel Dynamik und Liebe zum Detail in Szene gesetzt.
Weitere Aufführungen: 3./4./5. November, jew. 20 Uhr, Experimentalbühne im E-Werk, Freiburg. Karten unter 0761/381191
Marion Klötzer