Kunstverein Freiburg startet das Projekt „Site Visit“
Eine Spielwiese
Ganz so clean sieht die Installation von Camille Le Houzec und Jocelyn Villemont bereits nicht mehr aus. Nach der Performance von New Noveta (Keira Fox, Ellen Freed) klafft ein ziemliches Loch in einer der Hohlkehlen.
Das britisch-schwedische Performanceduo New Noveta jagte sich mit viel Geschrei und zu wummernden Bässen von einer Schnur zur anderen, durchstieß den Beutel mit der Kohle, da können so ein paar Papierbögen schon mal im Weg sein. Der neue Kunstvereinsleiter Heinrich Dietz hat sich entschlossen, zu seinem eigentlichen Programmeinstand alles ein bisschen anders zu machen. Anstelle von zwei regulären Ausstellungen gönnt er sich das Projekt „Site Visit“, das bis Mitte Juli dauern wird und Kunstschaffende und Theoretiker nach Freiburg holt, die ein paar Tage in der Stadt bleiben, eine Performance machen, eine Diskussion anstoßen oder eine Exkursion planen. Auf der von Harm van den Dorpel geschaffenen Homepage www.sitevisit.site wird alles dokumentiert werden und eine virtuelle Wirklichkeit des Projektes entstehen. Wenn am Ende aus einer dieser Site Visits, die dem Projekt auch den Namen geben, sich eine Ausstellung entwickelt, dürfte das auch im Sinn von Heinrich Dietz sein.
Eigentlich stand das Programm für die erste Saison von Heinrich Dietz bereits fest, doch dann begann er nachzudenken, ob er wirklich mit jeder Ausstellung die große Halle füllen wollte und wie ein zeitgemäßes Verständnis eines Kunstvereins überhaupt aussehen könnte. Eine Konsequenz dieses Nachdenkens ist, dass Heinrich Dietz jetzt im Eingangsbereich am Kopfende mehrerer zusammengestellter Schreibtische sitzt und die Reihe von 14 Veranstaltungen das übliche Ausstellungsmodell ablöst.
Le Houzec und Villemont von It’s our Playground machen den Anfang. Wie viele andere der Eingeladenen befassen sich auch It’s our Playground mit dem Ausstellungsmachen selbst. Seit ihrem Studium in Glasgow, währenddessen sie einen eigenen Kunstraum führten, gehört das Kuratieren zu ihrer eigenen künstlerischen Praxis. Ständiger Begleiter von Site Visit in den nächsten Monaten werden die Gestelle sein, die sie in der Halle platziert haben. Sie sind eng an jene Hohlkehlen angelehnt, die man in Fotostudios verwendet, um Objekte zu inszenieren. Zugleich wirken sie malerisch, da sie sich aus drei verschiedenfarbigen Papierbahnen zusammensetzen.
Dass das Team des Kunstvereins mitsamt Topfpflanze, Schränken, Ablage und Drucker in die Ausstellungshalle gezogen ist, hat auch etwas Symbolisches. Zum einen senken sich die Hemmschwellen für Besucher mit den Verantwortlichen über Kunst zu reden, zum anderen wird der Arbeitsalltag von Ausstellungsmachern transparent, der weniger in Site Visits als in Büroarbeit besteht. Man kann gespannt sein, wie sich das Projekt entwickelt, ob es sich verdichtet oder die Spannung hält, ob der Kunstverein ein neues Publikum gewinnt. Und vor allem: wie nutzen die eingeladenen Kunstschaffenden und Theoretiker diese Carte Blanche.
Site Visit. Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21.
Infos zu den Veranstaltungen unter www.kunstvereinfreiburg.de
Di-So 12-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr. Bis 23. Juli.
Annette Hoffmann