Kunst auf die Straßen gebracht: Ein Rückblick auf die zweite Biennale für Freiburg mit Paula Kommoss
Die zweite Biennale für Freiburg (16. Juni bis 30. Juli) liegt hinter uns. Ein Festival, das zeitgenössische Kunst, gesellschaftskritische Interventionen und urbane Räume näher zusammenbrachte. Fabian Lutz hat mit der künstlerischen Leiterin Paula Kommoss gesprochen und noch einmal zurückgeblickt.
Kultur Joker: Liebe Paula, gleich vorweg: Was war dein Highlight der Biennale?
Paula Kommoss: Grundsätzlich war genial, wie viele Menschen dabei waren. Insgesamt hatten wir über 10.000 Besucher:innen, 34 nationale und internationale Künstler:innen und Kollektive und um die 30 Veranstaltungen. Außerdem war es fantastisch, die Eröffnung der Biennale im Seepark zu haben. Dabei haben sich ganz unterschiedliche Öffentlichkeiten miteinander gemischt. Da kamen Leute von ihren Spaziergängen ganz zufällig zu den Performances, neben denen, die gezielt gekommen waren. Es gab sogar eine Gruppe von Menschen, die sich vom Flückingersee aus, auf ihrem Schlauchboot, die Sachen angesehen haben und es sich dann auf der Wiese bequem machten. Dann waren da Rentner:innen mit ihren Rollatoren, die das ganze Stück ansahen. Man kam mit vielen Leuten in Kontakt, die sehr interessiert nach der ausgestellten Kunst und den Performances gefragt haben.
Kultur Joker: Die Biennale war mit ihrem Motto „Das Lied der Straße“ überhaupt so angelegt, dass die Öffentlichkeit bespielt wurde und so auch Begegnungen jenseits der klassischen Kunst- und Kulturräume stattfinden konnten. Gab es noch andere solcher Begegnungen?
Paula Kommoss: Die letzte der Listening Sessions mit dem Rapper und Hip-Hopper Torch in der Poolbar im Fauler-Bad war auf jeden Fall ein solcher Moment. Es kamen über 100 Menschen aus sehr unterschiedlichen Bereichen: Fans, Freund:innen und solche, welche die Veranstaltung neugierig gemacht hat. Die Musik, die während der Spielzeit der Biennale im Vordergrund stand, bietet nochmals einen ganz anderen Zugang und ist ein unmittelbares Medium, durch das viel transportiert werden kann. Im Gespräch mit Torch wurde klar, dass auch Hip-Hop generell etwas ist, das von Grund auf improvisiert wurde und sich nun langsam institutionalisiert. Mit war es wichtig, anhand unterschiedlicher Formate die Biennale nach außen hin zu öffnen und durchlässiger für ein breites Publikum zu machen.
Kultur Joker: Auch gab es ein Straßenfest. Das klingt ebenfalls weitaus informeller als „Kunstausstellung“, ist einfach nahbarer.
Paula Kommoss: Auf jeden Fall. Beim Straßenfest am 21. Juli gab es eine Performance der feministischen Gruppe der somebody*ies, die von der Klarastraße im Stühlinger bis in die Innenstadt zur Marienstraße führte. Dort fand mit dem Straßenfest auch eine Veranstaltung statt, bei der man gemerkt hat: Wow, die Biennale wirkt in die ganze Stadt hinein. Leute, die zunächst nur Passant:innen sind, werden zum Publikum, stellen Fragen und nehmen die Dinge vielleicht noch einmal ganz anders wahr. Aber auch die Kunstwerke, die im öffentlichen Raum platziert waren, konnten die Umgebung auf sehr unterschiedliche Weise erlebbar machen.
Kultur Joker: Wie waren die Reaktionen der Menschen, die nicht gezielt, sondern ganz zufällig auf die Biennale in der Öffentlichkeit gestoßen sind?
Paula Kommoss: Bei der Performance der somebody*ies zum Beispiel sind die Menschen stehen geblieben, haben geguckt und dann natürlich Fragen gestellt. Toll waren auch die Reaktionen der Kinder. Kinder fragen unglaublich viel, das bringt einen schnell zum Kern der Sache.
Kultur Joker: Wie lässt sich zum Beispiel einer dieser Kerne beschreiben?
Paula Kommoss: somebody*ies haben darauf aufmerksam gemacht, dass feministische Widerstandskämpfer:innen in der Stadt, den Straßen oft nicht sichtbar sind. Darum ging es auch bei den „Pflaster“-Spaziergängen, vor allem mit der Feministischen Geschichtswerkstatt. Da kamen so viele Menschen, intergenerational, von 16–85 lag die Altersspanne. Eine Entdeckung war in dieser Hinsicht auch die Freiburger Künstlerin Eva Eisenlohr, die viele in der Stadt nicht kannten. Auch einige Kunsthistoriker:innen, mit denen ich gesprochen hatte, kannten Eisenlohr nicht und waren über die Entdeckung total überrascht. Grundsätzlich waren die Leute aus Freiburg vor allem dann begeistert, wenn sie gesehen haben, wie Kunst ganz konkret mit dem Ort, dieser Region zu tun hat.
Kultur Joker: Hat die Biennale auch Dinge angestoßen, die weiter fortwirken?
Paula Kommoss: Ja, und darüber freue ich mich besonders. Das Museum für Neue Kunst hat ein Portrait von Eva Eisenlohr restauriert und präsentiert es gerade auch in einer Ausstellung. Vielleicht gibt es bald auch eine Architektur-Biennale in Freiburg. Der Architekt Wolfgang Borgards, der den Dietenbach-Spaziergang geleitet hat, hat mit einer Künstlerin überlegt, ob sie beide nicht eine entsprechende Ausschreibung für Bauprojekte gestalten. Die beiden bleiben im Gespräch. Viele Menschen sind nun auch in Kontakt mit der Feministischen Geschichtswerkstatt. Die arbeiten gerade an einem „Verbalen Archiv“ mit Migrant:innengeschichten und freuen sich über Kontakte. Die internationale Verbindung zwischen dem elsässischen Kunstzentrums CRAC Alsace und dem Format der Biennale wurde verstärkt durch die Kooperation. Viele in Frankreich wissen jetzt von der Biennale in Freiburg.
Kultur Joker: Wie sehr hat die Biennale auch über Freiburg hinaus gestrahlt?
Paula Kommoss: Es kamen Menschen aus allen Richtungen: Besucher:innen aus Straßburg und Stuttgart zum Beispiel, die dort selbst Kunstinstitutionen leiten. Aus Basel kam viel Publikum, aus Zürich, gerade wegen unserer Kooperation mit Perrrformat bei der Eröffnung im Seepark. Ein großes Publikum reiste auch aus Berlin an. Dann gab es Berichterstattungen in der taz und der Monopol. Ich habe den Eindruck, dass Freiburg nun stärker auf der Landkarte für zeitgenössische Kunst verortet ist.
Kultur Joker: Im Vorgespräch hattest du noch eine Publikation erwähnt…
Paula Kommoss: Ja, Ende des Jahres wird es eine gedruckte Publikation geben, die das Begleitprogramm der Biennale für Freiburg noch einmal zusammenfasst, mit Bild- und Textbespielen zu jedem Format.
Kultur Joker: Ich danke dir, Paula, für das Gespräch und wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg!
Bildquellen
- Paula Kommoss bei der Listening Session mit Torch: Foto: Marc Doradzillo - Biennale für Freiburg 2