Kosmopolit und Künstler: Vytautas K. Jonynas
Wer in einer Mußestunde in alten Briefmarkenalben blättert, dürfte sie womöglich entdecken: Die blaue oder dunkelbraune Marke mit dem Münster. Wie durch ein Wunder überstand das Wahrzeichen die Bombennacht Ende 1944. Das Bauwerk galt dann als Friedensymbol. Die Zeichnung stammt von Jonynas. Beeindruckt war der Künstler weiter von Trachtenmädchen, vom Blick ins Höllental, wie weitere Marken zeigen. Er war derjenige, der erstmals das Porträt J. P. Hebels auf einer Marke verewigte – eine 12 Pfennig-Marke von 1947. Das sei erstaunlich, sagt Vogt als Philatelist und Hebelkenner. Warum nun ein Litauer? Die Verbindung zur hiesigen Kunstszene ist nennenswert: Jonynas war Lehrer an der Kunstschule in Kaunas, und später Leiter der dortigen Kunsthochschule. Kaunas gilt als zweitgrößte Stadt Litauens, trägt übrigens aktuell den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2022“. Dort traf er einen gewissen Raymond Schmittlein, Sohn elsässischer Eltern. Schmittlein kam in den 30ern als Dozent für Französisch nach Kaunas. 1945 trafen sie sich in Süddeutschland. Schmittlein leitete während der französischen Besatzungsmacht das Kulturressort. Auf seinen Rat gründete Jonynas in Günterstal 1946 die Ecole des Arts et Metiers für Emigranten. Sie zog in das Sanatorium Rebhaus auf der Wonnhalde ein. Eine Kunstschule im Jahr 1946? Worauf warten, fragte sich Jonynas damals voll Eifer. Es folgte eine bedeutsame Zeit, nicht zuletzt für Freiburg. 19 Professoren waren hier tätig, viele aus Kaunas, 1948 gab es 127 Studenten. Den Ausstellungen diente die Glashalle, 1902 als Restaurant gebaut. Das Eisenkorsett ähnelte den schicken Pavillons der damaligen Weltausstellungen. Apropos: Zur Weltausstellung 1937 in Paris zeigte Jonynas seine Werke, er erhielt zwei Goldmedaillen. Nach Paris kam er bereits 1931 als 24-jähriger, um bis 1935 zu studieren. Viel beachtet war laut Vogt die Ausstellung in der legendären Galerie Zak. Dann rief eben die Heimat.
Die litauische Kunstschule Freiburg existierte mit Erfolg. Legendär der Auftritt an der Uni Freiburg. Es ging um moderne Kunst, die Stimmung war feindlich. Jonynas überzeugte, das Publikum klatschte. Viele seiner Absolventen wurden weltweit bekannt, etwa Adomas Galdikas in Paris und Vytautas Kasiulis in New York. Die Schule musste 1950 schließen, Jonynas geht nach Mainz, später nach New York. In der Wonnhalde fand sich jedoch nachweislich die Generation der Ersten Republik Litauen (1918-1940), die ihr Land wegen der sowjetischen Okkupation verließ (Quelle: Blog, Die litauische Seite Freiburgs). Laut Vogt war es Jonynas, der Skizzen lieferte, als es 1946 um eigene Zonen-Briefmarken ging. Er war Bildhauer, Grafiker, Maler, Illustrator, Buntglas-Künstler, Plakat- und gar Möbeldesigner. 1994 wurde er Mitglied der National Academy of Design in New York. Frühe Ausstellungen gab es 1947 in Tübingen, 1948 in Konstanz, in Baden-Baden und Frankfurt. Die Kunsthalle Hamburg und das Weimarer Goehtemuseum kauften einen „Jonynas“. 90-jährig verstarb er am 4. Dezember 1997 in der Hauptstadt Litauens.
Kontakt: elvogt@t-online.de
Bildquellen
- Der Künstler V. K. Jonynas an seinem wohl liebsten Platz.: Foto: Wolfgang Maassen
- Auf dem Weg in die USA: Die Marken vom Münster, J. P. Hebel, dem Blick ins Höllental u. m.: Foto: Elmar Vogt