Klimageld leicht erklärt: „Mit de Mülltonne!“
Wer kennt es nicht, das schwierige Zusammenleben in der Hausgemeinschaft? Selbst die ehemalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wurde einst in die Abgründe der Müll-Problematik eingeweiht. Die Kandidatin, die im Wahlkampf samt Entourage volksnah durch die Malocher-Siedlung weht, flötet vor laufender Kamera den Damen auf dem Plattenbau-Balkon im Ruhrpott-Blümchenkittel-Charme zu: “Ich wollt ma kucken, wie’t so is hier!“ Die Antwort kommt ebenso prompt wie offenherzig: „Ja, hier isset schön! Wir hamm nur eins zu bemängln!“ Kunstpause, resoluter Fingerzeig, knappe Ansage: „Mit de Mülltonne!“
Auch unsere fiktive Hausgemeinschaft ist stinksauer. Die Müllgebühren sind Anfang des Jahres so heftig gestiegen, dass einige in dem Hochhaus gar nicht mehr wissen, wie sie das bezahlen sollen. Janine, die alleinerziehende Mutter kann selbst das Geld für Schulbücher und den Schulausflug kaum aufbringen. Obwohl sie und die Kinder nur ganz wenig Müll machen, trifft sie die 50%-Erhöhung härter als Alice, die Bankangestellte, die täglich mehrere Pakete mit Klamotten und Deko-Zeug zugeschickt bekommt und ihre Berge von Konsum- und Verpackungs-Müll in den Gemeinschafts-Container stopft. Kurt, der Rentner, versteht überhaupt nicht, was die andern da ständig kaufen und wegschmeißen. Wenn alle so lebten wie er, bräuchte die Hausgemeinschaft höchstens einen halb so großen Container. Kurt ist nur ganz aus Versehen ein Öko, würde sich aber im Leben nicht so bezeichnen. Leute mit „grünen Ideen“ sind ihm suspekt, obwohl er genau das lebt, was „diese Ökos“ als nachhaltig bezeichnen.
Der krasse Gegensatz dazu sind Klaudia und Raffael, die ganz oben im Penthouse ein Leben zwischen Opulenz und Dekadenz führen. Ständig jetten sie in der Weltgeschichte herum, aber wenn sie hier sind, feiern Sie da oben Partys mit wer weiß wie vielen Gästen. Jedes Mal quillt der Müll über, alle im Haus sind genervt, aber Christian, der Verwalter aus dem Obergeschoss, ist verblüffend nachsichtig und nimmt sie ständig in Schutz. Die anderen im Haus nennen sie „Raff und Klau“, weil keiner weiß, wie sie so ungeheuer reich geworden sind.
Nun hatten alle zusammen beschlossen, dass jeder so viel für den Müll bezahlt, wie er in den Gemeinschafts-Container wirft. Christian sollte das Geld verwalten und von dem, was übrigbleibt, pro Kopf am Ende des Jahres die gleiche Summe ausbezahlen. Kurt, Janine und die anderen in den billigen Wohnungen hatten sich sehr darüber gefreut. Für sie wären 140 Euro pro Kopf eine echte Hilfe gewesen, um über die Runden zu kommen. Raffael und Klaudia hingegen, die trotz Luxus-Fernreisen, eigener Yacht, teuren Klamotten und Penthouse-Protz-Partys, selbst ein paar Tausend Euro mehr oder weniger gar nicht bemerken würden, waren plötzlich dagegen, dass jeder den gleichen Betrag zurückbekommt. Sie wollten das Geld lieber im Topf lassen den Christian unter Verschluss halten sollte. Obwohl es anders besprochen war und alle ihm deshalb über 3 Jahre ihre Obolusse anvertraut hatten, rückt er nun das Geld nicht raus.
Rückzahlungs-Verweigerung treibt Wahlvolk in die Arme der Heilsversprecher
Bernd, der rechts unten wohnt, erzählt allen Hausbewohnern, wie mies die da oben sind und dass er, wenn er den Verwalterjob bekäme, den finanziell Schwächeren im Haus helfen würde. Das ist natürlich glatt gelogen. In Wirklichkeit hat er längst fertige Pläne, wie man den armen Mietern noch mehr Geld aus der Tasche ziehen kann. Die Reichen haben ihm längst signalisiert, dass sie ihn dafür nach oben hieven wollen, weil der Rattenfänger in Wirklichkeit Verbündeter des Geldadels ist.
Christian sagt, er wäre technisch gar nicht in der Lage, von allen Kontonummer und Wohnungsnummer zusammen zu führen, das würde bestimmt 18 Monate dauern. Und überhaupt wäre es doch viel einfacher, das Geld nur auf ein Konto zu schieben, und zwar das von Klaudia und Raffael, damit sie – technologieoffen – in ein zukünftiges Müllvolumen-Verringerungs-System investieren können.
Nicht zufällig ist der Hausverwalter Christian einem anderen Christian sehr ähnlich, der gerade das Geld nicht rausrückt, dessen Rückzahlung er vor 18 Monaten versprochen hatte. Es geht um die Müllgebühren, die für den CO2-Müll bezahlt werden müssen, der im Gemeinschafts-Container, nämlich in unser aller Atmosphäre abgeladen wird. Der Preis dafür ist Anfang des Jahres gestiegen, mit der guten Absicht, den CO2-Müll zu reduzieren. Die wenigen Klaudias und Raffaels vermüllen den gemeinsamen Luftraum besonders heftig mit ihren dicken SUVs, Flügen und ihrem ausufernden Konsumverhalten, zahlen dafür auch mehr in den Gemeinschafts-Topf ein. Sie würden es am Ende des Jahres noch nicht einmal merken, wenn ihr Millionen- oder Milliardenschweres Konto um 140 Euro bereichert würde. Aber den ‚Kurts‘, den ‚Janines‘ mit den Kindern und all den vielen Namenlosen, würden 140 Euro Entlastung pro Familienmitglied wirklich weiterhelfen.
Verständlich, dass sie die kalte Wut packt. Und nur auf den ersten Blick verwunderlich, dass es nicht Christian ist, auf den sie wütend sind, weil er ihr Geld nicht rausrückt, sondern es sind „die da oben“ denen sie einen Denkzettel verpassen möchten. Diejenigen, die die (CO2-) Müllgebühr angehoben haben, mit der guten Absicht, dass das gemeinsame Haus – unsere Erde – nicht im Müll erstickt. Sie lesen es ja ständig im Papiermüll mit den großen Buchstaben. Und Bernd von rechts unten keilt auch ständig in die Richtung – hat aber keinen Plan, wie das Problem gelöst werden kann.
Wie war das nochmal mit dem Klimageld?
Der Christian im Finanzministerium hat in den vergangenen drei Jahren über 11,4 Milliarden Euro eingesammelt: Geld, das in Deutschland seit 1.1.2021 als Aufpreis auf klimaschädliche Brennstoffe wie Gas, Heizöl und Benzin bezahlt werden muss. Mit diesem CO₂-Preis will die Regierung das Verbraucherverhalten steuern – ja, daher kommt das Wort Steuern – also klimaschädlichem Verhalten einen Preis geben. Nun wissen wir ja schon aus unserem Hochhaus: wer besonders viel vom CO2-Budget verprasst, der bezahlt auch viel in den Topf ein. Das ist aber nur der erste Teil der Steuerungs-Idee. Der zweite Teil ist das Klimageld, das aus dem Topf vollständig an die Bevölkerung zurückgezahlt werden soll. Das macht bei 11,4 Milliarden Euro pro Nase 139,- €. Oder 556,- € für Janine und ihre drei Kinder – wie die Verbraucherzentrale vorrechnet. Das Klimageld wurde beim Antritt der Regierung mit dem unsichtbaren Klimakanzler, dessen Partei das Soziale im Namen führt, beschlossen, im Koalitionsvertrag schriftlich festgehalten und von allen 3 Parteien unterschrieben: „Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren […] werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus entwickeln (Klimageld).“
Auch der Christian, der lieber nicht regieren möchte, als falsch, hat 2021 persönlich unterschrieben. Im August 2022 sagte er dann: “Nee, nee, das ist komplizierter.“ schließlich müssten da Steuernummer und IBAN-Nummer zusammengebracht werden, das würde 18 Monate dauern. Nach diesem Slapstick-Auftritt krümmte man sich jenseits der deutschen Grenze vor Lachen, doch keine Panik wir leben nicht in der Innovations-und-Digitalisierungs-Wüste. Christians Zahl ist frei erfunden, es gibt keine Berechnungsgrundlage dafür, wie die Transparenz-Plattform „Frag den Staat“ offenlegte. Jetzt, 18 Monate später verkündet er nicht etwa, wie weit seine Leute mit der „Entwicklung des sozialen Kompensationsmechanismus“ gekommen sind. Nö, er offenbart, dass er den Bürger:innen das Geld einfach nicht zurückgeben will. Er formuliert aber schon mal eine Absichtserklärung – origineller Weise im Namen einer unbekannten Nachfolge-Regierung. Die könnte ja mal wohlwollend darüber nachdenken, den Menschen das vertraglich festgelegte Klimageld zurückzuerstatten. Vielleicht.
»Herr Lindner, zahlen Sie das Klimageld noch in dieser Legislaturperiode aus!«
Den Christian beeindrucken weder sein eigenes Gerede von vor 18 Monaten noch irgendwelche Verträge, die er mal unterschrieben hat. Der dringende Appel für eine sozial gerechte Klimapolitik, bei dem sich Verbraucherzentralen, Arbeiterwohlfahrt, Paritätischer Gesamtverband, Diakonie, VDK, Institut für Kirche und Gesellschaft, BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe, Deutscher Naturschutzring, Germanwatch, German Zero, Umweltinstitut München, Protect the Planet und Transport & Environment zusammengeschlossen haben, ist ihm völlig wumpe. Er zertrampelt das kleine Akzeptanz-Pflänzchen, das für die notwendigen Klimaschutz-Maßnahmen gedeihen sollte. Die Klimakrise hat ihn noch nie interessiert, Naturwissenschaften sind nix für „Profis“ seiner Güteklasse. Das Wort ‚Physik‘ benutzt er in absurden Satz-Konstrukten als Kampfbegriff, um sich über andere zu stellen. Und mit so lästigem Zeug wie sozialer Gerechtigkeit sollte man Typen seines Formats nicht behelligen. Zu gern torpediert er die gesellschaftliche Akzeptanz für den Klimaschutz, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Er regiert so falsch, wie es eben geht.
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