King Kong tanzt Can-Can
Rolando Villazón inszenziert in Baden-Baden den „Liebestrank“ – und singt den Nemorino
Er wolle Theater machen mit Überraschungen, Späßen und berührenden Momenten, hat Rolando Villazón vor der Premiere der von ihm inszenierten Oper „L’elisir d’amore“ (Der Liebestrank) bei den Pfingstfestspielen Baden-Baden versprochen – nicht mehr und nicht weniger. Also keine intellektuelle Überfrachtung von Donizettis Komödie, aber auch kein Beharren auf vermeintlicher Werktreue.
Nach einem sehr bunten Abend zwischen Indianern und Cowboys, zwischen Bardamen und Kamerafrauen (Kostüme: Thibault Vancraenenbroeck), der am Ende Kultcharakter gewinnt und im Festspielhaus Baden-Baden frenetisch bejubelt wird, kann man dem Startenor zu seiner erst zweiten Inszenierung gratulieren. Selten so gelacht in einem Opernhaus. Bühnenbildner Johannes Leiacker hat für diesen „Liebestrank“ ein Hollywood-Filmstudio der 1940-er Jahre aufgebaut, in dem ein Western gedreht wird.
Es gibt einen Saloon und eine Bank – und einen Indianer, der immer mal wieder „Howgh“ sagt. Villazón wechselt zwischen den gedrehten Filmszenen, die mit einem „Action!“ des Aufnahmeleiters angekündigt werden, und den privaten Geschichten am Set. Die Dorfschönheit Adina (koloraturensicher: Miah Persson) ist im Film die große Diva, der verliebte Dorfdoofi Nemorino (in Hochform: Rolando Villazón) ein Komparse. Und der fesche Hauptmann Belcore, dem Adina vorübergehend ihr Herz schenkt, ein zur Karikatur erstarrter Filmstar (hölzern: Roman Trekel). Besonders gelungen: Quacksalber Dulcamara als barbrustiger Indianer mit weißem Arztkittel auf großem Holzpferd (präsent: Ildebrando D’Arcangelo). Manche Gags geraten dann doch etwas zu klamaukig, wenn King Kong Can-Can tanzt oder die Daltons Dynamit verteilen – aber das schadet dem quirligen Opernabend eigentlich nicht.
Regisseur Rolando Villazón bringt die Sängerinnen und Sänger zum Spielen.
Jedes Mitglied des Freiburger Balthasar-Neumann-Chors spielt eine Rolle – vom Barkeeper bis zum Cowgirl.
Und Villazón selbst als tapsigem Naivling mit Sombrerohut zuzuschauen, ist ein reines Vergnügen.
Auch stimmlich ist der Mexikaner nach zwei Auszeiten wieder in erstklassiger Verfassung.
In der Höhe singt er etwas kontrollierter als früher, geht nicht mehr voll ins Risiko. Aber gerade dadurch erzielt er einen noch innigeren, berührenden Klang wie bei seiner grandios gesungenen Arie „Una furtiva lagrima“, bei der auf einmal alle Komik vergessen ist und die Zeit stehenbleibt im Festspielhaus.
Das Balthasar-Neumann-Ensemble unter der Leitung von Pablo Heras-Casado verleiht diesem „Liebestrank“ Eleganz und Schwung.
Und Rogeljo Riojas-Nolasco fügt am Hammerflügel noch ein paar musikalische Gags dazu, wenn plötzlich die ersten Takte von Scott Joplins Ragtime „The Entertainer“ erklingen oder das mexikanische „La Cucaracha“ angedeutet wird.
Am Ende nach der Oper wird als Abspann der ganze, auf der Bühne gedrehte Western gezeigt – und das Balthasar-Neumann-Ensemble wird zum Stummfilmorchester.
Georg Rudiger