(K)ein Liebesbrief an die Technologie: Das Basler Bildrausch Filmfest widmet sich den vielfältigen Beziehungen zwischen Mensch und Maschine
Vom 29. Mai bis 2. Juni sind in Basel 30 Lang- und Kurzfilme aus aller Welt zu sehen, darunter zahlreiche Schweizer Premieren. Der diesjährige Fokus des Bildrausch Filmfests nimmt sich den technologischen Herausforderungen unserer Zeit an, immer mit dem Blick auf vielfältige künstlerische Lösungsansätze. Ein entsprechend buntes Spezialprogramm rundet das Festival ab.
„Technology, my Love“ ist das Motto der 13. Ausgabe des Bildrausch Filmfests, das auch in diesem Jahr rund um das Stadtkino Basel stattfinden wird. Worauf sich ein solches Motto bezieht, muss in der heutigen Zeit wohl niemandem mehr erläutert werden. Spannender ist die Widmung. My love? Vielleicht ist es doch komplizierter – darauf verweist das diesjährige Programm. Es geht um nichts mehr als die Versprechungen, Verwerfungen und Selbstentwürfe, die im obskuren Raum zwischen Mensch und Maschine entstehen, in einer Zeit, in der Smartphones, Algorithmen und künstliche Intelligenzen tagtägliche Wegbegleiter sind.
Wie gewohnt gliedert sich das internationale Programm in die Sektionen Langfilm, Shorts und ein umfangreiches Spezialprogramm, das den Festivalfokus noch einmal vertieft. Wie immer werden die Vorführungen von Gesprächen mit den Filmemacher:innen begleitet. Filme ohne expliziten Technologiebezug sind natürlich auch zu sehen. Darüber hinaus werden Preise verliehen, der Peter-Liechti-Wanderpreis, der Publikumspreis sowie der Kurzfilmpreis für einen Schweizer Kurzfilm. Zum ersten Mal wird auch der Film- und Medienkunstpreis Region Basel vergeben.
Lang- und Kurzfilmprogramm
Das reichhaltige Langfilmprogramm stellt bereits zu Beginn vor die Wahl. Nele Wohlatz‘ interkulturelles Portrait „Sleep With Your Eyes Open“ über eine entwurzelte Gemeinschaft von Chinesen im brasilianischen Recife läuft als Eröffnungsfilm am 29. Mai zur gleichen Zeit wie Faraz Fesharakis „Was hast du gestern geträumt, Parajanov?“, der von einer Beziehung zwischen Berlin und Isfahan erzählt und über die Rolle, die die Webcam dabei spielt. Die Filme im Wettbewerbsprogramm werden jedoch zwei Mal gezeigt (diese beiden auch am 01.06.) – und so bleibt Raum für viele Entdeckungen. Darunter etwa Klára Tasovskás Portrait „I’m Not Everything I Want To Be“ über die nonkonforme Fotografin Libuše Jarcovjáková (31.05./02.06.) oder Laurens Pérols „Practice“ über Trine, eine Musikerin und Umweltaktivistin und ihren Konflikt zwischen Touring und Klimaschutz (31.05./01.06.). „Pepe“ von Nelson Carlos De Los Santos Arias handelt vom Nilpferd Pepe und dessen Gedanken zu Abschied und Trennung, Entwurzelung und Heimat (30.05./02.06.). „City of Wind“ von Lkhagvadulam Purev-Ochir erzählt von Ze, einem Teenager aus der Mongolei, der zufällig auch Schamane ist – und seit kurzem verliebt (31.05./02.06.). Das Langfilmprogramm zeigt sich politisch und weltgewandt, wofür auch die Filme „A Match“ (30.05./02.06.) und „My Stolen Planet“ (30.05./01.06.) angeführt werden können, die sich mit Emanzipation und dem Aufbegehren gegenüber dem Patriarchat beschäftigen.
Der Festivalfokus Technologie wird mit Lang- und Kurzfilmen umfassend illustriert. „Hi, AI“ von Isa Willinger erzählt unter anderem von Chuck und Harmony, die froh durch die Welt cruisen. Harmony ist übrigens ein humanoider Roboter (01.06.). „Knit’s Island“ entführt in die Welten eines postapokalyptischen Computerspiels und zeigt zugleich die Menschen hinter den Bildschirmen (31.05.). „Last Things“ dagegen erkundet eine mikrokosmische Welt, jene der Einzeller und Mineralien und bildet so eine detaillierte Hommage an das Leben selbst (01.06.). „The Trouble With Being Born“ erzählt von Elli, einer Androidin, die sich zögerlich einer neuen Identität öffnet (31.05.). Ein Klassiker der Mensch-Maschinen-Begegnungen ist „Blade Runner“, der am 02.06. zu sehen sein wird. In den beiden Kurzfilmprogrammen des Themenschwerpunkts (30.05./01.06./02.06.) werden alltägliche Technologien wie Google Street View, Überwachungskameras oder Computerspiele mit den Realitäten verschiedener Menschen kontrastiert. Dies reicht vom sozialkritischen Kommentar zu Rassismus über digitale Ausbeutung bis zu den Träumen ukrainischer Menschen über Putin.
Schweizer Kurzfilme
In Kooperation mit den Solothurner Filmtagen ist das Schweizer Kurzfilmprogramm entstanden (31.05./02.06.). Die acht Filme erzählen von Sehnsucht und Liebe, ihren Intensitäten und Abgründen, in virtuellen und nicht-virtuellen Räumen. Entdeckt werden die digitalen Korrespondenzen eines Ex-Liebespaars, die wütenden Zukunftsvisionen widerständiger Afrofuturist:innen und das Leben erzählender Steine. Wieder sind auch Online-Spiele dabei, die zu Orten unerwarteter Zärtlichkeit werden. Nostalgie steht neben den Themen Kolonialismus, Umweltzerstörung, Liebeskummer und Schwangerschaft. Technologie, so zeigt sich auch hier, ist ein umfassender wie eminent politischer Themenbereich.
Auf Tuchfühlung mit der Technik
Auch das Festival selbst erscheint auf neugierige Weise technologisiert. Zwei VR Experiences aus den USA und Taiwan laden Besucher:innen ein, auf Tuchfühlung zu gehen. „All That Remains“ widmet sich der Spannung zwischen faktenbasierter Wahrnehmung und emotionalen Reaktionen und sucht den „geheimnisvollen Moment, wenn eine leise innere Stimme das Herz bewegt und überwältigt“. Ein surreales Erlebnis zwischen Traum und Wirklichkeit bietet dagegen „Over the Rainbow“. Andere ausgewählte Virtual Reality Arbeiten werden zusätzlich präsentiert.
Die Spezialveranstaltungen des Festivals führen tiefer in die Materie des Themenschwerpunkts ein. Der Workshop „Recherche, Stoffentwicklung und künstliche Intelligenz“ (29.05.) widmet sich der Frage nach dem Einfluss von KI auf Filmstoffe, den kreativen Prozess und Filmberufe. Die Videoinstallation „Digital Extensions, Me & Myself“ von Brigitte Fässler (30.05.) erkundet hybride Identitäten in einer Welt, die zunehmend von Technologie durchdrungen ist. Ihr folgt eine gleichnamige Performance (31.05.), bei der Tanz und Visuals miteinander in Interaktion treten und darauf wiederum von einem Musikerduo interpretiert werden. Neben einem grundlegenden Talk zum Thema Intelligenz (31.05.), einem Podium zum Thema Menschlichkeit und Maschinen (01.06.) tritt unter anderem auch eine Live Coding Performance von unsorted.love, die an die Filmvorführung von „Last Things“ am 01.06. schließt. Live Coding bedeutet eine algorithmische Auseinandersetzung mit bestehender Musik und Klangquellen.
Preisverleihungen
Am 01.06. wird im Stadtkino schließlich der Wanderpreis des Festivals verliehen. Claire Simon (Gewinnerin des Peter-Liechti-Preises 2023) und Djamila Grandits geben den Ring weiter. Auch ein Kurzfilm wird ausgezeichnet und der Publikumspreis bekannt gegeben. Der neue Film- und Medienkunstpreis wird am 02.06. verliehen, auf Empfehlung einer unabhängigen Fachjury. Vergeben werden Preise in den Kategorien Basler Filmpreis, Basler Kurzfilmpreis und Basler Medienkunstpreis. Auch kann die Jury einen Spezialpreis verleihen. Anreize für ein künstlerisch herausforderndes wie packendes Filmprogramm sind also gegeben und so dürfen sich die Besuchenden auf ein abwechslungsreiches Festival voller überraschender Begegnungen und Einsichten freuen.
Das Bildrausch Filmfest findet im Stadtkino Basel, im kult.kino atelier, dem Foyer Public Theater Basel und im Reflektorium Offene Kirche Elisabethen statt. Es sind sowohl Einzeltickets, ein Tagespass als auch ein Festivalpass erhältlich. Für weitere Infos, Termine, Orte und Tickets: www.bildrausch-basel.ch.
Bildquellen
- Laurens Pérol „Practice“: © Bildrausch Filmfest
- Virtuelle Realitäten zu entdecken: © Bildrausch